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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Papier, zeichnete die immer wieder sich verändernden Stilleben auf dem Tisch ab, porträtierte die Anwesenden oder verzierte Weinflecken mit Ornamenten. Er tat dies wie ein nervöser Büromensch, der alles, was ihm in die Finger kam, mit seinen Telefonkritzeleien verzierte, nur eben viel virtuoser. Nunzio Agustoni jedenfalls verbot seinem Personal, die Stelle mit den Zeichnungen zu zerknüllen. Sie mussten sie nach dem Abräumen sorgfältig abtrennen und dem Chef abliefern, welcher sie seiner Sammlung einverleibte, die eines Tages, davon war er überzeugt, unbezahlbar sein würde.
    Weynfeldt und Strasser verband und trennte ein und dieselbe Leidenschaft: die Liebe zur Kunst. Er war der Einzige aus seinem Freundeskreis, der einigermaßen mitreden konnte auf seinem Spezialgebiet. Aber in Weynfeldts Privatsammlung befand sich kein einziger Strasser. Das war er dann doch, bei aller Freundschaft, eben dieser Liebe zur Kunst schuldig.
    Doch Weynfeldt unterstützte den Kunstmaler auf andere Weise. Zum Beispiel mit der Herausgabe eines Werkverzeichnisses im eigens für diesen Zweck gegründeten KuBu Verlag. Oder – zwei Fliegen auf einen Streich – mit der Finanzierung einer Internet Domain, designed by Luc Neri.
    Der Kellner brachte schon die Vorspeisen, als Strasser dazustieß, noch im Platznehmen die Flasche Brunello ergriff und sich das Glas füllte. Er trug wie immer Anzug, Hemd und Krawatte. Die einzige Konzession an den, wenn auch umstrittenen, Künstler in ihm war, dass alle drei schwarz waren.
    Er nickte der Runde pauschal zu. Weynfeldt übersah er. Niemand hätte erraten, dass er sich bei ihm für heute Abend zu einer Unterredung unter vier Augen angemeldet hatte.
    Er verzichtete auf die Vorspeise, aber nicht auf die Chesterfield, die er rauchte, während die anderen ihre Antipasti und Salate aßen. Bald hatte er seinen Stift in der Hand und begann, Agustonis Sammlung ein weiteres Werk hinzuzufügen. Am Tischgespräch beteiligte er sich nicht.
    Dieses drehte sich um »Arbeitstitel Hemingways Koffer«. Casutt hatte das Thema angeschnitten mit der Bemerkung: »Ich kannte mal einen, der jahrelang an einem Roman arbeitete. Immer, wenn man ihn traf, war er fast fertig oder an einer Überarbeitung. Immer musste er dringend nach Hause, weil das Werk wartete, oder er verspätete sich, weil das Werk nicht hatte warten können. Und eines Tages war alles weg. Seine Frau hatte ihm im Streit die Festplatte gelöscht.«
    »Und er hatte keine Datensicherung?«, fragte Luc, in dessen Gebiet das Elektronische fiel.
    »Offenbar nicht.«
    »Dann ist er selber schuld.«
    »Darum geht es nicht. Ich glaube, er hat nie eine Zeile geschrieben.«
    »Und weshalb erzählst du das?«, fragte Kando misstrauisch.
    »Im Zusammenhang mit Claudios Projekt.«
    »›Arbeitstitel Hemingways Koffer‹ ist kurz vor Drehreife«, schnappte sie.
    »So meine ich es nicht. Ich frage mich, ob Hemingway tatsächlich sein ganzes unveröffentlichtes Gesamtwerk in diesem Koffer hatte, den seine Frau verlor.«
    Hausmann aß seine eingelegten Melanzane mit dem Gesichtsausdruck eines hochmusikalischen Menschen, der die Probe eines Hobbyorchesters über sich ergehen lassen muss. Karin Winter versuchte ihn in das Gespräch mit einzubeziehen. »Auch ein ganz interessanter Aspekt, Claudio: Der verlorene Koffer enthielt gar keine Manuskripte. Nur so als Versuchsanlage.«
    Hausmann seufzte. »Darum geht es mir nicht. Die Tatsache, dass seine Frau glaubte, er habe sie enthalten, genügt.«
    Jetzt mischte sich Alice Waldner ein, die Eisenplastikerin: »Die wusste doch, was in dem Koffer drin war. Hemingway scheint mir nicht der Typ von Mann, der seine Koffer selber packte.«
    Unbemerkt von der Tischrunde hatte sich der Kellner Weynfeldt genähert. »Herr Weynfeldt, ein Anruf für Sie«, raunte er ihm zu.
    Adrian brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er dem Kellner folgen solle, weil ihn jemand am Telefon verlangte. Es konnte sich nur um Véronique handeln. Sie war der einzige Mensch, der wusste, wo er sich befand. Sie würde ihn nur in ganz dringenden Fällen beim Donnerstagstisch stören.
    Er wurde hinter das Büfett zu einem schwarzen Wandapparat geführt, wie er ihn im Zeitalter des Handys schon lange nicht mehr gesehen hatte. Der Hörer war von der Gabel genommen und hing an einem Haken unter dem viereckigen Gerät mit der Wählscheibe, deren Zahlen vom jahrelangen Gebrauch verwischt und kaum mehr leserlich waren. Küchengehilfen mit dampfenden Platten

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