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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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in den kärglichen Reminiszenzen ihrer gemeinsamen Schulzeit zu kramen.
    Erst nach dem Dessert und dem Käse konnte Weynfeldt auf den eigentlichen Zweck der Einladung zu sprechen kommen.
    »Ein Freund von mir, Claudio Hausmann, sicher ein Begriff in der Branche…«, Talbergers Art zu nicken versprach nichts Gutes, »…hat kürzlich ein Drehbuch fertiggestellt…«
    »…Arbeitstitel Hemingways Koffer«, ergänzte Talberger.
    »Ach, du kennst es?«
    »Ein Begriff in der Branche.«
    Weynfeldt sah sich gezwungen zu fragen: »Und? Wie findest du es?«
    Talberger schob den leeren Käseteller von sich und lehnte sich zurück. »Darf ich ehrlich sein?«
    »Lieber nicht«, antwortete Weynfeldt.
    »Was genau hat er gesagt?«, wollte Kando wissen. Sie hatte ihn seit ihrem Treffen im Südflügel mehrmals angerufen und zum Treffen mit Talberger gedrängt. Und kaum war er nach dem Lunch im Bel Etage wieder im Büro, hatte er sie wieder in der Leitung.
    Sie hatten sich für den nächsten Tag zum Apero verabredet, wieder im Südflügel. Obwohl er wieder überpünktlich eingetroffen war, hatten ihn Kando und Claudio vor fast geleerten Gläsern erwartet.
    Weynfeldt hatte ein mulmiges Gefühl. Er fürchtete diese Begegnung fast noch mehr als die mit Talberger.
    »Wie ist es gegangen?«, hatte Kando gefragt, kaum hatte sich Adrian gesetzt. Hausmann tat, als ginge ihn die Sache nur am Rande etwas an.
    »Nicht schlecht«, erwiderte Weynfeldt. »Im Prinzip.«
    »Er hat das Script gelesen?«
    »Er kannte es.«
    »Und?«
    »Er findet das Projekt interessant.«
    »Siehst du«, sagte Kando zu Claudio, »ich hab’s gewusst, Talberger ist die richtige Adresse.«
    »Das Projekt«, brummte Hausmann, »klar ist das interessant. Mich interessiert, wie er das Buch findet.«
    »Wie findet er das Buch?« Kando sah Weynfeldt streng an.
    »Wie gesagt: Ich hatte den Eindruck, er findet es im Prinzip nicht schlecht.«
    Und darauf folgte dann Kandos Frage: »Was genau hat er gesagt?«
    Adrian hatte sich eine Antwort darauf zurechtgelegt: »Er findet, es braucht da und dort noch etwas mehr Fleisch am Knochen.«
    Hausmann verdrehte die Augen zur Decke. »Wie mich dieser Satz ankotzt. Das Fleisch entsteht beim Dreh. Das hast du ihm hoffentlich gesagt.«
    Adrian wusste auch darauf eine Antwort: »Ich glaube, es handelt sich um eine rein verkaufstaktische Sache. Das Atmosphärische und die Dialoge helfen bei der Mittelbeschaffung. Danach bist du wieder frei.«
    Statt einer Antwort winkte Claudio mit einer schlaffen Hand ab und griff nach seinem fast leeren Campari.
    Kando, die pragmatischere der beiden, fragte: »Und was schlägt er vor?«
    »Einen Scriptdoctor und einen Dialogisten.«
    »Und einen Regisseur«, ergänzte Hausmann giftig.
    Das hatte Talberger tatsächlich vorgeschlagen, aber Adrian hütete sich, es zu bestätigen.
    Es war wieder Kando, die Nägel mit Köpfen machte: »Und wer soll das bezahlen?«
    Damit war man wieder auf einem Gebiet, auf dem Weynfeldt mitreden konnte.
    März und immer noch wieder Winter. Der unbotmäßige Vorgeschmack auf den Frühling machte es den Menschen schwer, nun wieder Nass und Grau und Kalt zu ertragen. Adrian Weynfeldt war es egal, er war nicht wetterfühlig. Er beteiligte sich zwar an den Wettergesprächen, aber so, wie er sich an allen Gesprächen beteiligte, deren Thema ihn kaltließ: mit höflichem Interesse.
    Kam dazu, dass die Rückkehr des Wetters in die normale Bahn seiner Vorliebe für das Regelmäßige entsprach. Auch in der Alten Färberei, die, vom Frühlingswetter verunsichert, die samstägliche Bernerplatte durch etwas Leichteres ersetzt hatte, stimmte wieder alles: Das Restaurant war etwas überheizt, die Garderobe mit Wintermänteln behangen, und auf dem Berg von Sauerkraut, der im Servierwagen vorbeigefahren wurde, dampften wieder Zunge, Speck und Würste.
    Adrian Weynfeldt hielt an der Tradition fest, am Samstagabend dort mit seinem betagten Freundeskreis zu speisen. Remo Kalt, der pensionierte Treuhänder der Familie, und Mereth Widler waren die einzigen Anwesenden. Die alte Dame versuchte tapfer, von ihrer lebenslangen Rolle der schockierenden Lady zu der der unmöglichen Witwe zu wechseln. Aber es gelang ihr nicht. Sie war verloren wie die lustige Hälfte eines Komikerduos, der der ernste Partner weggestorben war. Sie besaß auch nicht mehr die Kraft, die aufsehenerregenden Mengen Bernerplatte zu vertilgen. Vielleicht, dachte Adrian, hatte auch das nur zu ihrer Nummer gehört. Und sie hatte

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