Der letzte Weynfeldt (German Edition)
versuchte sie es wieder auf allen drei Nummern. Mit dem gleichen Resultat. Jetzt war sie sicher, dass es Absicht war. Der Herr Doktor hatte es sich anders überlegt. Sie hatte ihn falsch eingeschätzt: Er war ein Siegelringträger, wie alle anderen.
Sie stieg in die Dusche, die so eng war, dass der fleckige Duschvorhang ihr immer wieder am Körper klebte. Aus dem verkalkten Brausekopf drangen kreuz und quer die feinen Wasserstrahlen. Sie sah an ihrem Körper hinunter und fragte sich, ob es nun schon so weit sei, dass die Männer sie loswerden wollten, noch bevor sie sie ins Bett gekriegt hatten.
Am späteren Sonntagvormittag versuchte sie noch einmal Weynfeldt zu erreichen. Wieder vergeblich. Danach gab sie es endgültig auf. Sie würde sich an Pedroni halten. Mit dieser Art von Männern kannte sie sich besser aus.
Am Montagmorgen erwartete sie Barbara am Check-in. Sie war für Lorenas Geschmack etwas allzu sommerlich gekleidet. Denn obwohl der angekündigte Wintereinbruch auf sich warten ließ, herrschte auf dem Flughafen keine Temperatur für bauchfrei, tief ausgeschnitten und ärmellos. Sie war in Begleitung ihres Mannes, des in der Zwischenzeit etwas dicklich gewordenen Werbeleiters. Er begrüßte sie kumpelhaft, half mit dem Gepäck und begleitete sie bis zur Passkontrolle, wo sich das Paar kaum trennen konnte.
Kaum waren sie in der Chartermaschine, bat Barbara sie, ihre Platzkarte mit einem jungen Mann zu tauschen, den sie als Mischa vorstellte. Da wurde Lorena ihre Rolle klar.
Nach einem unruhigen Flug über eine immer kompakter werdende Wolkendecke landeten sie auf der Insel. Erst kurz vor dem Aufsetzen sah Lorena zum ersten Mal ein Stück Meer. Sie wurden in einem halbleeren Bus über eine mehrspurige Autobahn zu einem sechsstöckigen Hotel inmitten von anderen sechsstöckigen Hotels gefahren, dem einzigen, das geöffnet hatte.
Das also ist Mallorca, dachte Lorena.
Von Barbara bekam sie wenig zu sehen. Diese teilte das Doppelzimmer mit Mischa, Lorena hatte sie dessen Einzelzimmer zugeteilt. Es befand sich auf der untersten Etage mit Sicht auf die Einzelzimmer des Nachbarhotels. Es war feucht und so schlecht geheizt, dass sie es nur im Bett aushielt. Dort kauerte sie unter der synthetischen Decke, trank lauwarmen Cuba Libre – wenigstens etwas Karibisches – und sah sich auf dem verschneiten Bildschirm des billigen Hotelfernsehers die deprimierenden Talkshows der deutschen Privatsender an.
Manchmal raffte sie sich auf und spazierte an dem mit Unrat und Treibgut übersäten Strand das unruhige, schmutzig graue Meer entlang.
Für Ausflüge war sie auf die Exkursionen des Hotels angewiesen, Taxis konnte sie sich nicht leisten, Pedronis Darlehen reichte nicht weit.
In die zweite Woche ihres Aufenthalts fiel auch noch ihr Geburtstag. Der siebenunddreißigste. Noch drei bis vierzig. Noch dreizehn bis fünfzig. Noch dreiundzwanzig bis sechzig.
Dreiundzwanzig Jahre, das war nichts. Wenn sie daran dachte, wie rasch es gegangen war, bis sie dreiundzwanzig wurde. Ein bisschen Kindheit, ein bisschen Jugend und – schwups! – dreiundzwanzig.
Sie stand bereits um neun auf und ging in den kühlen Speisesaal. An ein paar unabgeräumten Tischen saßen Rentnerpaare in Trainingsanzügen und schwiegen einander an. Zwei jüngere Paare unterhielten sich über ihre fast gleichaltrigen Kinder, die sich feindselig anstarrten. Lorena bestellte einen Espresso und holte sich etwas Konservenorangensaft vom Büfett – dabei trugen auf der ganzen Insel die Orangenbäume schwer an ihren reifen Früchten – und setzte sich an einen Fenstertisch.
Der Wind trieb Regenböen gegen die Scheibe. Ein paar Möwen flogen angeberische Figuren im Sturm.
Lorena bestellte eine Flasche Cava. Aber brut, aber kalt, verdammt.
»Happy Birthday«, sagte sie halblaut, als sie das erste Glas ansetzte. Der Wind zauste die trockenen Palmblätter der Strandschirme und ließ weiße Schaumstoffstücke und Plastikflaschen auf dem Stück Strand tanzen, das weit weg zwischen zwei bessergelegenen Hotels zu sehen war.
Erst als das Personal begann, die Mittagstische aufzudecken, hatte sie die Flasche leer. Lorena ging ins Bett und erwachte drei Stunden später mit einem blöden Kopf und einer Riesenwut auf Barbara. Sie zog sich an, stapfte zu deren Zimmer und klopfte energisch.
»Si?«, fragte nach dem zweiten Klopfen Barbaras Stimme.
»Ich bin’s, die Freundin, mit der du die Ferien verbringst.«
»Nicht günstig«, antwortete Barbara, und dann
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