Der letzte Wunsch
wusste plötzlich, dass es von diesem Augenblick an nur noch sie geben würde, ihren Hals, ihre Schultern und Brüste, von dem schwarzen Kleid freigegeben, ihre feine, kühle Haut, die mit keiner anderen zu vergleichen war, die er je berührt hatte. Er schaute aus der Nähe in ihre veilchenblauen Augen, die schönsten Augen auf der ganzen Welt, und diese Augen, fürchtete er, würden für ihn ...
Alles würden sie sein. Er wusste es.
»Dein Wunsch«, flüsterte sie, die Lippen ganz nah an seinem Ohr. »Ich weiß nicht, ob sich so ein Wunsch überhaupt erfüllen kann. Ich weiß nicht, ob es in der Natur eine
Kraft
gibt, die so einen Wunsch zu erfüllen vermag. Und wenn, dann hast du dich verurteilt. Dich zu mir verurteilt.«
Er unterbrach sie mit einem Kuss, einer Umarmung, einer Berührung, einer Zärtlichkeit, mit Zärtlichkeiten, und dann mit allem, was er war, mit jedem Gedanken, dem einzigen Gedanken, allem, allem, allem. Sie durchbrachen die Stille mit Seufzern und dem Rascheln der zu Boden geworfenen Kleidung, durchbrachen die Stille sehr sanft und waren sehr gemächlich, waren gründlich, waren behutsam und einfühlsam, und obwohl beide nicht recht wussten, was Behutsamkeit und Einfühlung bedeuten, gelang es ihnen, denn sie wollten es sehr. Und überhaupt hatten sie es nicht eilig, und die ganze Welt existierte nicht mehr für sie, existierte für einen kleinen, kurzen Augenblick nicht, ihnen aber schien er eine ganze Ewigkeit, denn es war wirklich eine ganze Ewigkeit.
Und dann begann die Welt wieder zu existieren, doch sie schien völlig anders geworden zu sein.
»Geralt?«
»Hm?«
»Und was weiter?«
»Ich weiß nicht.«
»Ich auch nicht. Denn weißt du, ich ... Ich bin nicht sicher, ob es sich lohnte, sich zu mir zu verurteilen. Ich kann nicht ... Warte, was tust du ... Ich wollte dir sagen . . .«
»Yennefer ... Yen.«
»Yen«, wiederholte sie und erlag ihm vollends. »So hat mich noch nie jemand genannt. Sag es noch mal, bitte.«
»Yen.«
»Geralt.«
XVII
Der Regen hatte aufgehört. Über Rinde erschien eine Wolke, zog als zerrissener bunter Bogen am Himmel entlang. Es schien, als wachse sie geradewegs aus dem verwüsteten Dach des Gasthofs hervor.
»Bei allen Göttern«, murmelte Rittersporn. »Welch eine Stille ... Sie leben nicht, sage ich Euch. Entweder haben sie sich gegenseitig umgebracht, oder mein Dschinn hat sie erledigt.«
»Das müsste man sehen«, sagte Vratimir und wischte sich mit der zerknüllten Mütze die Stirn ab. »Sie können verwundet sein. Vielleicht sollte man einen Arzt rufen?«
»Eher einen Totengräber«, stellte Krepp fest. »Ich kenne diese Zauberin, und dem Hexer hat auch der Teufel aus den Augen geblickt. Wie dem auch sei, man muss auf dem Totenacker zwei Gruben ausheben. Diese Yennefer sollte man vor der Beerdigung mit einem Espenpflock durchbohren.«
»Welch eine Stille«, wiederholte Rittersporn. »Vor einem Augenblick sind noch die Dachsparren herumgeflogen, und jetzt regt sich kein Lüftchen.«
Sie näherten sich den Ruinen des Gasthofes, sehr aufmerksam und langsam.
»Der Schreiner soll Särge machen«, sagte Krepp. »Sagt dem Schreiner . . .«
»Still«, unterbrach ihn Errdil. »Ich habe etwas gehört. Was war das, Chireadan?«
Der Elf strich die Haare von einem der spitz zulaufenden Ohren zurück, neigte den Kopf. »Ich bin nicht sicher ... Gehen wir näher.«
»Yennefer lebt«, erklärte Rittersporn plötzlich und strengte sein musikalisches Gehör an. »Ich habe sie stöhnen hören. Oh, sie hat wieder gestöhnt!«
»Hm«, bestätigte Errdil. »Ich hab’s auch gehört. Sie hat gestöhnt. Sie muss schrecklich leiden, sage ich euch. Chireadan, wohin? Sieh dich vor!«
Der Elf wich von dem geborstenen Fenster zurück, durch das er vorsichtig geblickt hatte. »Gehen wir weg«, sagte er knapp. »Wir wollen sie nicht stören.«
»Sie leben also beide? Chireadan? Was tun sie da?«
»Gehen wir weg«, wiederholte der Elf. »Lassen wir sie dort für eine Zeit allein. Sollen sie dort bleiben, sie, er und sein letzter Wunsch. Wir werden in irgendeiner Schenkewarten, nicht lange, und sie werden sich uns anschließen.«
»Was tun sie da?«, wollte Rittersporn wissen. »Sag schon, verdammt noch mal!«
Der Elf lächelte. Sehr, sehr traurig.
»Ich mag keine großen Worte«, sagte er. »Aber ohne große Worte lässt sich das nicht sagen.«
Die Stimme der Vernunft 7
I
Auf der Lichtung stand Falwick in voller Rüstung, ohne Helm, den Ordensmantel
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