Der letzte Wunsch
Donner gerührt da, die andere, die schneller war, kniete sich auf Iolas Beine. Iola krümmte sich zusammen, öffnete die Lippen in einem lautlosen, stummen Ausbruch.
»Iola!«, schrie Nenneke. »Iola! Rede! Rede, Kind! Rede!«
Das Mädchen spannte sich noch mehr an, biss sich in die nach innen gezogenen Wangen, ein dünnes Rinnsal von Blut rann aus ihrem Mund. Vor Anstrengung rot, rief Nenneke etwas, was der Hexer nicht verstand, doch das Medaillon an seinem Hals ruckte derart an seiner Kehle, dass er sich instinktiv bückte, sich unter einer unsichtbaren Last neigte.
Iola lag still.
Rittersporn, bleich wie Wachs, seufzte hörbar. Nenneke richtete sich auf die Knie auf, erhob sich mit Mühe.
»Bringt sie weg«, sagte sie zu den Adeptinnen. Es waren ihrer schon mehr, sie waren herbeigelaufen, ernst, erschrocken und schweigsam.
»Tragt sie weg«, wiederholte die Priesterin. »Vorsichtig. Und lasst sie nicht allein. Ich komme gleich.«
Sie wandte sich Geralt zu. Der Hexer stand reglos da und rieb sich den Schweiß von den Händen.
»Geralt ... Iola . . .«
»Sag nichts, Nenneke.«
»Ich habe es auch gesehen ... Für einen Augenblick. Geralt, reit nicht fort.«
»Ich muss.«
»Du hast das ... hast es gesehen?«
»Ja. Nicht zum ersten Mal.«
»Und?«
»Es hat keinen Sinn, zurückzuschauen.«
»Reit nicht, bitte.«
»Ich muss. Kümmere dich um Iola. Auf Wiedersehen, Nenneke.«
Die Priesterin wandte den Kopf ab, schniefte und wischte mit einer scharfen, gewaltsamen Bewegung des Handrückens die Tränen fort.
»Leb wohl«, flüsterte sie, ohne ihm in die Augen zu sehen.
Informationen zum Buch
Der Hexer Geralt von Riva verdient sein Geld mit Kämpfen gegen Ungeheuer aller Art. Über einen Mangel an Aufträgen kann er sich nicht beklagen, denn es gibt genügend Leute, die dringend Hilfe gegen Vampire, Drachen und andere dämonische Wesen brauchen. Als Profi steht Geralt jedoch immer wieder vor dem Problem, zu entscheiden, ob wirklich Gefahr von dem Untier ausgeht, das er besiegen soll, oder ob er womöglich dazu benutzt wird, ein unschuldiges Wesen umzubringen. Eines Tages befreit Geralt einen Luftgeist, und dieser schlägt ihn mit der verhängnisvollen und quälenden Liebe zu der schönen Zauberin Yennefer �
Informationen zum Autor
Andrzej Sapkowski, geboren 1948, ist Wirtschaftswissenschaftler, Literaturkritiker und Schriftsteller. Sein Fantasy-Zyklus über den Hexer Geralt erreicht in Polen inzwischen Millionen-Auflagen und wurde 1998 mit dem Literaturpreis der wichtigsten polnischen Wochenzeitung �Polityka� ausgezeichnet. Höchst erfolgreich ist auch seine �Narrenturm�-Trilogie um den schlesischen Medicus Reinmar von Bielau: �Narrenturm�, �Gottesstreiter� und �Lux perpetua�.
Impressum
Deutscher Taschenbuch Verlag
Ungekürzte Ausgabe
Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
© 2006 der deutschsprachigen Ausgabe:
Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
eBook ISBN 978-3-423-40008-4 (epub)
www.dtv.de
ebook Erstellung - Mai 2010 - TUX
Ende
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