Der letzte Wunsch
wahnsinnig wütend zu sein!«
»Ist er auch«, sagte Priester Krepp.
Chireadan warf ihm einen raschen Blick zu. »Was?«
»Er ist wütend«, wiederholte Krepp. »Und das wundert mich nicht. Ich wäre auch wütend, wenn ich aufs Genaueste den ersten Wunsch hätte erfüllen müssen, den der Hexer zufällig geäußert hat.«
»Weshalb?«, schrie Rittersporn. »Geralt? Ein Wunsch?« »Er war es, der das Siegel in der Hand hatte, das den Genius gefangen hielt. Der Genius erfüllt nun seine Wünsche. Darum kann sich die Zauberin des Dschinns nicht bemächtigen. Aber der Hexer darf ihr das nicht sagen, sogar, wenn er es schon erraten hat. Er darf es ihr nicht sagen.«
»Verflucht«, murmelte Chireadan. »Ich beginne zu begreifen. Der Wächter im Knast ... Er ist geplatzt . . .«
»Das war der zweite Wunsch des Hexers. Einen hat er noch. Den letzten. Aber bei den Göttern, er darf das Yennefer nicht verraten!«
XII
Sie stand reglos da, über ihn gebeugt, ohne dem Dschinn, der über dem Dach des Gasthofs an den Fesseln zerrte, die geringste Beachtung zu schenken. Das Gebäude bebte, von der Decke fielen Kalk und Holzsplitter, die Möbel krochen mit spastischen Zuckungen über den Fußboden.
»So ist das also«, zischte sie. »Glückwunsch. Es ist dir geglückt, mich hinters Licht zu führen. Nicht Rittersporn, sondern du. Darum kämpft der Dschinn so! Aber ich habe noch nicht verspielt, Geralt. Du unterschätzt mich, unterschätzt meine Macht. Vorläufig habe ich den Dschinn noch in der Hand, und dich auch. Du hast noch einen Wunsch, den letzten? Also sprich ihn aus. Du setzt den Dschinn frei, und dann krieg ich ihn in die Flasche.«
»Dazu reichen deine Kräfte nicht mehr, Yennefer.«
»Du unterschätzt meine Kräfte. Den Wunsch, Geralt!«
»Nein, Yennefer. Ich kann nicht ... Der Dschinn mag ihn erfüllen, aber dir wird er nicht vergeben. Wenn er frei ist, bringt er dich um, rächt sich an dir ... Du wirst es nicht schaffen, ihn zu fangen und dich vor ihm zu schützen. Du bist ausgepumpt, hältst dich ja kaum auf den Füßen. Du kommst um, Yennefer.«
»Das ist mein Risiko!«, schrie sie wütend. »Was geht dich an, was aus mir wird? Denk lieber daran, was der Dschinn dir geben kann! Du hast noch einen Wunsch! Du kannst dir wünschen, was du willst! Nutze die Gelegenheit! Nutze sie, Hexer! Du kannst alles haben! Alles!«
XIII
»Sie werden beide umkommen?«, heulte Rittersporn auf. »Weshalb? Herr Krepp, oder wie Ihr ... Warum? Der Hexer hat doch ... Warum in drei Teufels Namen flieht er nicht? Warum? Was hält ihn dort? Warum überlässt er diese verdammte Hexe nicht ihrem Schicksal und flieht? Das hat doch keinen Sinn!«
»Absolut keinen Sinn«, wiederholte Chireadan bitter. »Absolut keinen.«
»Das ist Selbstmord! Und einfach lächerlich!«
»Es ist ja sein Metier«, warf Neville ein. »Der Hexer rettet meine Stadt. Die Götter sind meine Zeugen, wenn er die Zauberin besiegt und den Dämon verjagt, werde ich ihn reich belohnen . . .«
Rittersporn riss sich das Hütchen mit der Reiherfeder vom Kopf, spuckte drauf, warf es in den Dreck und trat darauf herum, wobei er allerlei Worte in allerlei Sprachen wiederholte.
»Aber er hat ja . . .«, stöhnte er plötzlich. »Er hat noch einen Wunsch frei! Er könnte sowohl sie als auch sich retten! Herr Krepp!«
»Das ist nicht so einfach.« Der Priester überlegte. »Aber wenn er ... Wenn er den richtigen Wunsch äußern würde ... Wenn er irgendwie sein Los mit dem Los ... Nein, ich glaube nicht, dass er darauf kommen wird. Und es ist wohl auch besser, wenn er nicht draufkommt.«
XIV
»Den Wunsch, Geralt! Schnell! Was verlangst du? Unsterblichkeit? Reichtümer? Ruhm? Macht? Stärke? Tugenden? Schnell, wir haben keine Zeit!«
Er schwieg.
»Ein Mensch zu sein«, sagte sie plötzlich mit einem hässlichen Grinsen. »Ich hab’s erraten, nicht wahr? Das ist ja dein Wunsch, davon träumst du! Von der Befreiung, von der Freiheit, der zu sein, der du sein willst, und nicht der, der du sein musst. Der Dschinn wird diesen Wunsch erfüllen, Geralt. Sprich ihn aus.«
Er schwieg.
Sie stand im flackernden Licht der Zauberkugel über ihm, im Schein der Magie, inmitten der funkelnden Strahlen, die den Dschinn banden, mit gelöstem Haar und veilchenblau flammenden Augen, hoch aufgerichtet, schlank, schwarzhaarig, schrecklich ...
Und schön.
Sie beugte sich heftig herab, blickte ihm in die Augen, aus nächster Nähe. Er spürte den Geruch von Flieder und Stachelbeeren
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