Der Leuchtturm von Alexandria
kleine dunkelhaarige Frau keifte meine Begleitsoldaten an. Diese schrien zurück und deuteten auf mich. Ich verbeugte mich andeutungsweise vor der Dame. »Ich bin Chariton aus Ephesus«, sagte ich langsam auf Latein, »ein Arzt aus dem Feldlager Novidunum. Der höchst vortreffliche Athanaric hat mich hergebracht, um die edle Dame Amalberga zu behandeln.«
Es entstand ein ziemliches Durcheinander. Die kleine dunkelhaarige Frau schrie die Männer an, und diese murmelten etwas in ihrer barbarischen Sprache. Die blonde, juwelengeschmückte Frau starrte mich an, dann wurde sie rot und fragte mich auf Latein, ich möge ihr verzeihen, aber ob ich wirklich ein Eunuch wäre? (Bei den Goten sind Eunuchen unbekannt.) Als ich es bejahte, sagte sie, es sei sehr unschicklich, wenn ein Mann die Dame Amalberga anfasse. Die kleine dunkelhaarige Frau kreischte erneut, dann begann sie zu lachen. Später erfuhr ich, daß sie den Gedanken, ich sei ein Eunuch, lächerlich fand und vom ersten Augenblick an davon überzeugt war, ich sei eine Frau.
Plötzlich mischte sich Amalberga selbst ein. »Wenn du mir helfen kannst«, sagte sie mit fester, klarer Stimme und in gutem Griechisch, »dann bin ich dir sehr dankbar.«
»Ich werde mein Bestes tun«, entgegnete ich und trat an ihr Bett, um sie zu untersuchen. Die kleine Frau machte Anstalten, mich daran zu hindern, aber Amalberga wies sie mit ein paar scharfen Worten zurecht, und sie begnügte sich damit, die Begleitsoldaten aus dem Zimmer zu drängen. Ich fuhr mit meiner Untersuchung fort.
Zu meiner großen Erleichterung war Amalberga nicht sehr krank. Sie war fiebrig und litt Schmerzen, es war jedoch nichts, wovon sie sich nicht hätte erholen können. Aber sie hatte eine Menge Blut verloren, und die weise Frau, es war die mit den Juwelen, hatte darauf bestanden, »die Römer nachzuahmen« und sie zur Ader zu lassen, was sie noch weiter geschwächt hatte. Die dunkelhaarige Frau, eine Hebamme, war vernünftig genug, diese Prozedur abzulehnen. Dies war auch der Grund für ihren Streit gewesen.
Ich nahm der Kranken alle Blutegel ab und erklärte der weisen Frau währenddessen so taktvoll wie möglich, die Römer, die die Leute öfters schröpften, seien unwissende Quacksalber. Dann gab ich der edlen Frau etwas Honigwasser mit Opium – nur eine kleine Dosis auf einem Schwamm, da sie sich übergeben hatte. Ich veranlaßte die beiden Frauen, die Patientin aufzurichten und sie mit abgekochtem Wasser und einer Reinigungslösung zu waschen. (Sie weigerten sich, mich dies tun zu lassen; kein Mann, nicht einmal ein Eunuch, durfte die Frau des Herrschers an den intimen Stellen berühren!) Ich verabreichte ihr ein paar heiße Kompressen, um die Schmerzen zu lindern, und wies die Sklaven an, das Zimmer zu säubern. Inzwischen hatte das Opium seine Wirkung erzielt, deshalb gab ich Amalberga den Rest der Dosis in etwas Sauerhonig. Aufgrund der früheren Dosis, der Kompressen und des sauberen Bettzeugs, das ich ihr hatte geben lassen, damit sie sich wohler fühlte, gelang es ihr, das Opium bei sich zu behalten, und ein paar Minuten später war sie eingeschlafen. Sie war sehr müde gewesen, da die Schmerzen sie jedoch am Schlafen gehindert hatten, hatte sie sich seit ihrer Niederkunft vor einer Woche nicht richtig ausruhen können.
Die beiden Frauen waren hocherfreut, als sie jetzt so friedlich schlummerte, und lobten mich in den höchsten Tönen. Sie erfuhren, daß ich noch nichts gegessen hatte, und veranlaßten die Sklaven, mir etwas zu bringen. Dann fragte mich die weise Frau über das Opium und meine anderen Heilmittel aus. Wir packten gerade alles aus und unterhielten uns über Heilkräuter, als Frithigern und Athanaric an die Tür klopften. Ich saß mit einem Stück Brot in der einen und einer getrockneten Zaunrübe in der anderen Hand da, aber ich legte beides hin und sprang auf. Die Frauen taten das gleiche. Sie öffneten die Tür, flüsterten aufgeregt etwas auf gotisch und machten dabei Zeichen, leise zu sein.
Frithigern kam schweigend herein, stand da und starrte seine Frau an, die so friedlich dalag und schlief, die blonden Haare über das Kissen gebreitet. Er trat an das Bett, nahm eine ihrer Hände und küßte sie. Dann streichelte er ihre Haare, ging hinüber zu dem Kinderbettchen und sah nach dem Baby. Endlich sah er mich an. Wortlos nahm er die goldene Kette von seinem Hals und reichte sie mir. Er sah seine Frau noch einen Augenblick lang an, dann ging er wieder, ohne noch etwas zu
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