Der Leuchtturm von Alexandria
Und ich möchte, daß ihr morgen vernünftigere Ansichten vertretet und sie mit mehr Respekt vorbringt.«
Thorion öffnete den Mund, aber Vater brüllte ihn an: »Ruhe! Ich bin es leid, mir von euch sagen zu lassen, wie ich mein Geld ausgeben und meine eigene Tochter verheiraten sollte! Wer zahlt denn dein Taschengeld, wie? Wer zahlt für deine Kleider und deine Hauslehrer und deine Trinkgelage? Benimm dich oder ich werde alles miteinander streichen!«
Da Thorion ganz den Eindruck machte, als wolle er gleich von neuem losbrüllen, ergriff ich seinen Arm. Wir konnten ganz offensichtlich nichts erreichen, zumindest nicht, solange Vater in seiner gegenwärtigen Verfassung war. Vielleicht täten wir wirklich besser daran, bis morgen zu warten, wenn er nicht mehr so müde und vom Wein benebelt sein würde. Vielleicht könnten wir morgen noch etwas erreichen. Aber das bezweifelte ich.
»Gute Nacht, Vater«, sagte ich und zog Thorion hinter mir her aus dem Zimmer. Maia folgte und bedeckte ihr Gesicht mit einem Zipfel ihres Umhanges, um ihren Kummer zu verbergen.
3
Auch am nächsten Morgen änderte Vater seine Meinung nicht. Stattdessen machte er Anstalten, die Vereinbarungen mit Festinus zu besiegeln, und weigerte sich, mit einem von uns zu sprechen. Vom Fenster des Gästezimmers aus beobachteten wir, wie sich seine Sänfte ihren Weg durch die Straßen bahnte, ein vergoldeter Baldachin, der sich in Richtung auf den Marktplatz und den Palast des Statthalters zu bewegte. Es war ein schöner Tag, und die goldenen Beschläge der Sänfte funkelten fröhlich vor dem Hintergrund der roten Dachziegel dort unten. Das Wasser des Hafens war von einem tiefen, kräftigen Blau, gesprenkelt mit orangefarbenen und gelben Segeln. Alles schien Vaters Gang zum Statthalter mit beifälligem Lächeln zu begleiten. Maia wandte sich vom Fenster ab, setzte sich auf die leere Kleidertruhe und faltete ihre Hände. Zum erstenmal, seit ich sie kannte, sah sie wirklich wie eine Sklavin aus.
»Es interessiert ihn überhaupt nicht, was dieser Rohling dir antut«, stieß Thorion hervor.
Ich schüttelte den Kopf. »Er hat Angst vor Festinus.« Ich hatte in der Nacht sorgfältig über alles nachgedacht. »Er strebt für sich selbst soviel Sicherheit wie möglich an, und der beste Weg dazu ist, eine Verbindung zwischen den beiden Häusern zu bewerkstelligen. Und wahrscheinlich hat er sich selbst eingeredet, daß wir ein wenig übertreiben, und ist davon überzeugt, daß schließlich alles in Ordnung kommen wird.«
»Wir werden den Plan mit der heimlichen Verlobung vorantreiben müssen«, sagte Thorion, nachdem er einen Augenblick lang nachgedacht hatte. »Es wird immer schwieriger, wenn Vater es erst einmal offiziell verbietet. Aber ich kann Kyrillos ja versprechen, nach Vaters Tod alles wieder gutzumachen.«
»Meinst du nicht, daß wir von Kyrillos ein bißchen zuviel verlangen?« fragte ich. »Du weißt ja, Entführung ist immerhin ein Verbrechen. Er müßte mit mir zusammen aus Ephesus fliehen und auf seine Karriere verzichten. Er müßte seine Familie aufgeben und sie zutiefst verletzen.« Thorion runzelte die Stirn. »Außerdem gefällt mir der Gedanke überhaupt nicht, daß du dasitzt und auf Vaters Tod wartest«, fügte ich hinzu. »Er ist im Grunde genommen kein schlechter Vater. Er ist über diese ganze Geschichte auch nicht so furchtbar glücklich. Er ist eben einfach ein… einfach ein Feigling. Er kann nichts dafür.«
Und insgeheim sagte ich mir, Kyrillos werde wohl kaum einem so verrückten Plan zustimmen. Er mochte alles mögliche von mir halten, aber ich wußte, daß er ehrgeizig war. Es war viel wahrscheinlicher, daß er nicht auf Thorions Pläne eingehen würde. Und das wäre das Ende ihrer Freundschaft und würde uns überhaupt nicht weiterhelfen.
Thorion biß sich auf die Lippen und warf den Kopf in den Nacken. »Was sollen wir denn dann tun, Charition? Wir kennen niemanden, bei dem wir dich verstecken können. Wohin du auch immer gehen würdest, Festinus würde dich im Nu finden. Du kannst noch soviel erklären, daß du nicht bereit bist, in die Ehe einzuwilligen, aber du hast in dieser Angelegenheit keinerlei Rechte. Man erwartet von dir, daß du tust, was Vater sagt.«
»Ich habe eine andere Idee«, sagte ich und hielt inne. Ich hatte die ganze Nacht wach gelegen und an diese andere Idee gedacht. Ich war der Ansicht, genug Zeit damit vertrödelt zu haben, so zu tun, als sei ich das Mädchen im Spiegel, und darauf zu warten,
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