Der Leuchtturm von Alexandria
zulassen, daß dieser brutale Kerl Charis heiratet!« sagte Thorion.
»Psst!« Vater deutete auf die Sklaven, die beim Aufräumen innegehalten hatten und unauffällig an der Wand herumstanden.
»Nein! Festinus ist ein brutaler Kerl und ein Feind unseres Hauses. Und es ist mir egal, wer alles weiß, daß ich so denke!«
»Mein lieber Sohn!« sagte Vater. »Du solltest mit Hochachtung von derart mächtigen Männern sprechen! Es ist zwar richtig, daß der vortreffliche Statthalter von niedriger Geburt ist, aber das gilt für so viele Männer, die heutzutage die höchsten Ränge bekleiden. Das gilt schließlich auch für unseren eigenen Großvater. Der hochgeschätzte, vorzügliche Festinus hat aufgrund eigener Verdienste Reichtum und Macht erworben, und unser Erhabener Gebieter, der Augustus Valens, hält viel von ihm. Darüber hinaus ist er jetzt unser Nachbar. Ich sehe keinen Grund, warum unsere Häuser nicht durch eine Heirat miteinander verbunden werden sollten. Sicher, ich hatte vorher andere Pläne für meine Tochter – aber diese Heirat wird uns beiden zum Vorteil gereichen. Der Statthalter wird an Ansehen gewinnen, und wir werden von seinem Schutz und von seinem Einfluß profitieren.«
»Dann kann also ein Mann mit einem Trupp Soldaten hier einfach hereinmarschiert kommen«, sagte Thorion, »er kann dich mit dem Tode bedrohen, er kann deine Sklaven fortschleppen und sie foltern, er kann deine Tochter in deinem eigenen Haus beleidigen: das macht dir alles nichts aus! Du gibst ihm deine Tochter zur Ehe, einfach so, damit alles im Lot ist. Oh, ewiger Christus!«
»Er hat Charis nicht beleidigt«, bemerkte Vater gereizt.
»Doch, das hat er«, widersprach ich. Ich drehte mein Gesicht so, daß er den blauen Fleck sehen konnte.
Einen Augenblick lang machte Vater den Eindruck, als fühle er sich unwohl in seiner Haut, doch dann zuckte er die Achseln. »Nun, er ist ein leidenschaftlicher Mann. Er wird ruhiger werden mit der Zeit. Seit er zum erstenmal hier aufgetaucht ist, ist er bereits wesentlich ruhiger geworden. Und er war sehr beeindruckt von dir, mein Liebling. Er sprach von deinen Augen und zitierte irgendwelche lateinischen Dichter. Ich wußte gar nicht, daß die Römer Verse geschrieben haben.«
»Vater«, sagte ich. »Er ist mir nicht aus Leidenschaft zu nahe getreten. Er hat seine Freude daran, Leuten weh zu tun und sie zu demütigen. Er hat seine Freude daran, Macht zu spüren. Seit er in Ephesus ist, hat er nichts anderes getan. Ich werde ihn nicht heiraten.«
Vater sah noch unbehaglicher aus. Maia trat zu ihm und warf sich vor ihm auf den Boden, das Gesicht auf dem hell glänzenden Mosaik. Sie trug ihre Arbeitskleidung, eine schlichte, blaue Leinentunika und einen blauen Umhang, während Vater seinen weiß-goldenen, mit Brokat bestickten Umhang umhatte: Doch sie sahen nicht aus wie König und Bittstellerin. Dafür machte Vater einen zu unsicheren, zu beschämten Eindruck. Maia erhob sich auf ihre Knie und umklammerte mit ihren Händen die seinen.
»Bitte, Herr«, flehte sie ihn an. »Charition sagt die Wahrheit: Dieser Mann…« Sie hielt inne. Zu meinem Schrecken sah ich, daß sie weinte, um mich weinte, aus Angst vor dem, was Festinus mir antun würde. »Dieser Mann gehört zu jenen, die es genießen, Grausamkeiten zu verüben. Als… als ich dem Verhör unterzogen wurde, kam er selbst in die Folterkammer hinunter und nahm die Rute in die Hand. Er war es, der dies hier getan hat.« Sie berührte die Narbe auf ihrem Gesicht, die inzwischen zu einer feinen, weißen Linie geworden war. »Und er schlug mich… auch noch woanders hin. Es machte ihm Spaß, o Herr. Ich bitte dich, Herr, neben dem Allerhöchsten habe ich stets nur dir Ehrerbietung erwiesen, aber ich habe Charition geliebt wie mein eigen Fleisch und Blut. Du darfst sie nicht diesem Teufel geben, Herr. Nein, schicke einen Boten an den höchst edlen Dimitrios: Richte ihm aus, was geschehen ist und erbitte seine Hilfe, um eine Heirat zwischen Charis und seinem Sohn Palladios zu arrangieren. Wir behaupten einfach, es sei eine seit langem bestehende Vereinbarung. Selbst Festinus könnte nichts dagegen unternehmen.«
»Ich habe ihm bereits gesagt, daß Charis niemandem versprochen ist!« sagte Vater und machte jetzt wirklich einen sehr niedergeschlagenen Eindruck.
Thorion stöhnte auf.
»Nun ja, er hat mich gefragt«, protestierte Vater.
»Sag ihm, du hättest gelogen«, schlug Thorion vor. »Sag ihm, du hättest vorgehabt, die Ehe mit
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