Der Liebe eine Stimme geben
allen anderen einen Ehemann zu haben, der sie betrügt.
»Du schaffst das schon«, sagt Georgia, während sie mit kreisenden Bewegungen Beths Rücken streichelt.
»Ich würde mich von dem Dreckskerl scheiden lassen«, sagt Jill.
»Jill!«, schilt Petra sie.
»Aber genau das ist er, und genau das würde ich tun.« Jill sieht Georgia an, um bei ihr Unterstützung zu finden.
»Du weißt, dass ich ihm den Laufpass geben würde. Alles schon gehabt. Aber ich habe vermutlich immer zu schnell einen Schlussstrich gezogen, vor allem bei Phil. Das ist ein Punkt, an dem ich arbeiten sollte, falls ich je wieder heiraten sollte, was ich natürlich nicht tun werde.« Georgia erhebt ihr Weinglas und leert den Rest ihres Wodkas, um auf ihre eigene Erklärung zu trinken.
»Du musst herausfinden, was du selbst willst«, sagt Petra. »Du und Jimmy, ihr könnt das überstehen, wenn ihr beide es wollt. Oder das hier ist das Ende. Aber du musst entscheiden, was du willst. Lass nicht ihn oder irgendjemand anderen für dich entscheiden.«
Petra hat recht. Sie hat immer recht. Aber Beth dreht sich der Kopf vor Wodka, und das Einzige, was sie denken kann und das sie will, ist im Moment, dass Georgia weiter ihren Rücken reibt.
»Und wir lieben dich, egal, wie du dich entscheidest«, sagt Petra.
Georgia drückt Beths Schultern, und alle nicken, alle bis auf Courtney, die gedankenverloren vor sich hin blickt, die Augenbrauen tief gefurcht. Beth fühlt sich betrunken und verlegen, gebrochen und unsicher, aber auf einmal auch erstaunlich dankbar.
»Ich liebe euch auch«, sagt Beth, zwischen Tränen lächelnd, denn selbst wenn Jimmy sie nicht mehr liebt, schätzt sie sich glücklich, eine Handvoll Freundinnen zu haben, die für sie da sein werden, egal was passiert.
SECHS
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Trauertauben trällern hin und her, in einer wehklagenden Unterhaltung, während das Sonnenlicht langsam durch die nicht verdunkelten Fenster in Olivias Schlafzimmer findet und sie in einen sanften, matten Schimmer taucht. So beginnt sie jetzt im Allgemeinen jeden Tag, im Einklang mit den Vögeln und der Sonne. Und wenn es ein bewölkter oder stürmischer Morgen ist und die Tauben nicht gesprächig sind, dann schläft und schläft sie, vermutlich mindestens bis Mittag. Vielleicht noch viel länger. Sie weiß es nicht. Sie hat jedes Zeitgefühl verloren. Letzten Monat ist zum ersten Mal einen ganzen Tag lang der Strom ausgefallen, und danach immer wieder, zu oft, um es zu zählen. Sie hat sich nie die Mühe gemacht, eine der Uhren im Haus neu zu stellen. Außerdem hat sie aufgehört, eine Armbanduhr zu tragen. Das ist kein Problem, da sie nie irgendwo hinmuss. Sie existiert außerhalb der Zeit.
Sie sieht hinüber auf die andere Seite des Betts, wo die Daunendecke und das Kopfkissen unberührt daliegen, und mit einem Mal wird ihr schmerzhaft bewusst, dass David nicht hier ist. Er ist in Hingham. Sie ist auf Nantucket. Getrennt. Sie schläft noch immer auf der Seite zusammengerollt, den Rand der Matratze mit einem Arm umklammernd, um ihm Platz zu lassen. Sie rutscht in die Mitte des Betts und legt sich flach auf den Rücken, die Arme und Beine ausgestreckt, nimmt so viel Raum wie möglich ein. Es fühlt sich seltsam an.
Sie streckt sich und gähnt, hat es nicht eilig, das Bett zu verlassen, genießt den Luxus, nach dem Schlaf einer ganzen Nacht langsam zu sich zu kommen. Es kommt ihr vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass sie jeden Morgen viel zu früh von Davids Wecker oder Anthonys eia-eia-eia aufgewacht ist, mit einem Schock zu Bewusstsein geholt, noch immer erschöpft. Mehr als erschöpft. Ausgelaugt. Jeden Tag fehlte ein bisschen mehr von ihr. Diese Morgen waren erst gestern, und doch wie vor einer Million Jahren. Die Zeit ist etwas Seltsames, sie dehnt sich, krümmt sich, streckt sich, verdichtet sich, je nach Perspektive.
Es ist April, aber das weiß sie nur, weil das Schreiben, das sie kürzlich von ihrem Anwalt bekommen hat, auf den vierzehnten April datiert war. Ohne dieses Schreiben hätte sie vermutet, dass es noch immer März ist, noch immer Winter angesichts der Tatsache, wie kalt es ist und wie wenig sich verändert hat.
In der Gegend von Boston war der Frühling schon immer völlig anders als der üppige, warme, grüne Frühling in Athens, Georgia, wo sie aufgewachsen ist. Der Frühling in Boston ist nur ein anderes Wort für Winter, für die zweite Hälfte. Wenn in Athens die Magnolienbäume blühen, schneit es in Hingham. Und zwar nicht
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