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Der Liebe eine Stimme geben

Der Liebe eine Stimme geben

Titel: Der Liebe eine Stimme geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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sich aus Hut und Handschuhen, Schal und Mantel, während sie sich für ihre Verspätung entschuldigt. Wenn Courtney ein zarter Samen ist, der mit einer warmen Brise hereinsegelt, dann ist Georgia ein Ast, der von einem Hurrikan abgerissen wurde und krachend zur Erde stürzt. Wenn man die beiden zusammen sieht, kann man sich schwer vorstellen, dass Courtney und Georgia beste Freundinnen sind, aber so ist es.
    Erleichtert und jetzt zum Handeln aufgerufen, entschuldigt sich Jill und läuft in die Küche. Noch bevor Georgia sich setzen kann, ist Jill wieder da, klatscht zweimal in die Hände wie eine Lehrerin, die ihre Klasse zur Aufmerksamkeit ruft, und bittet die Gruppe in ihr Esszimmer. Georgia ist die Erste, die aufstöhnt, gefolgt von allen anderen. Jill strahlt, entzückt über die ganzen Oohs und Aahs, froh, genau die Reaktion hervorzurufen, die sie sich vorgestellt hat.
    Das Buch dieses Monats spielt in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg, und Jill hat sich von diesem Schauplatz sichtlich inspirieren lassen. Ein Origami-Tier sitzt in der Mitte jedes Tellers – ein violetter Kranich, ein weißer Schwan, ein orangefarbener Tiger, eine grüne Schildkröte, ein grauer Elefant. Ein Klecks grüner Meerrettich und ein ordentlicher Stapel mit fleischigem rosa Ingwer liegen rechts neben jeder Papierfigur, und jeder Teller ist flankiert von einem Paar Essstäbchen und einer winzigen Schale mit Sojasauce. Weiße Teelichter sind überall im Zimmer aufgestellt, und auf dem Tisch stehen zwei Flaschen Sake. California-, Lachs- und Tunfischröllchen liegen auf einer ovalen Platte in der Mitte all dessen.
    »Wow, Jill. Sag bloß, die hast du alle selbst gerollt«, sagt Courtney.
    »Natürlich hat sie das«, sagt Georgia.
    »Das habe ich«, gibt Jill zu.
    »Und die hast du auch gemacht?« Courtney hält den violetten Papierkranich hoch.
    »Das war nicht schwer. Dafür gibt’s einfache Anleitungen im Internet«, sagt Jill.
    »Für dich war es nicht schwer. Du bist bewundernswert«, sagt Courtney. »Du warst bestimmt den ganzen Tag mit den Vorbereitungen beschäftigt.«
    »So lange hat es nicht gedauert«, sagt Jill. Sie genießt das ganze Getue.
    »Du könntest das zu deinem Beruf machen«, sagt Beth.
    Jill ist seit sechzehn Jahren Hausfrau und Mutter, und sie muss mit Sicherheit nicht arbeiten, solange Mickey weiter Häuser umsetzt, aber es ist keine schlechte Idee. Sie könnte ihre Dienste den wohlhabenden Sommerbewohnern anbieten, könnte prunkvolle Buchclub-Partys ausrichten. Sie würden sie lieben.
    »Okay, wenn dann bitte alle Platz nehmen wollen. Auf jedem Platzkärtchen steht der Name einer der Romanfiguren, das heißt, ihr –«
    »Wir reden heute Abend nicht über das Buch«, sagt Petra.
    Beths Magen verkrampft sich. Sie wünscht, sie könnte wenigstens ein Glas Sake kippen, bevor sie damit anfangen.
    »Was?« Jill lächelt nervös. »Aber natürlich tun wir das.«
    »Nein, das tun wir nicht«, sagt Petra.
    Petra ist fünf Jahre jünger als die Jüngste von ihnen, aber sie ist zweifellos das Alphamännchen der Gruppe. Als ältestes von sieben Kindern, Tochter polnischer Einwanderer und Besitzerin des Dish, eines der beliebtesten Restaurants auf Nantucket, ist Petra knallhart und gebieterisch und wird mit einem schamlosen, schiefen Lächeln erklären, dass es ihr im Blut liegt. Aber sie ist auch gerecht, und sie hat nicht einen Funken Bosheit in ihrem hochgewachsenen Körper. Wenn jemand Jills Buchclub-Spektakel aus dem Gleis werfen kann, ohne dass es Tränen oder einen Streit gibt, der das Ende einer Freundschaft besiegelt, dann ist es Petra.
    »Und wir brauchen etwas Stärkeres als Sake. Hast du Wodka da?«, fragt Petra.
    »Aber das ist nicht japanisch«, sagt Jill. Sie sträubt sich noch immer gegen die Idee, in irgendeiner Weise von dem Thema des Buchs abzuweichen.
    »Jimmy betrügt Beth mit der Hostess im Salt, und er ist ausgezogen«, sagt Petra.
    Wieder ist Georgia die Erste, die aufstöhnt. Jill wendet sich zu Beth um, sieht die Angst und Entschuldigung in Beths Augen. Ohne ein weiteres Wort über Japan zu verlieren, geht sie in die Küche und kommt mit einer Flasche Triple-Eight-Wodka in einer Hand und einer Flasche Ocean-Spray-Cranberrysaft in der anderen zurück an den Tisch.
    »Passt das?«, fragt sie, während sie sich setzt.
    »Perfekt«, sagt Petra, und dann beginnt sie, so viel Wodka in die Weingläser zu schenken, dass kaum noch Platz für Saft ist. »Zeig ihnen die Karte.«
    Beth zieht die Karte und den

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