Der Liebe Gott Macht Blau
Und ein Stein wird nicht im Nu zu Gold, dafür wäre ein jahrhundertelanger chemischer Prozess erforderlich.«
Der heilige Petrus nannte ein für Finnen verständlicheres Beispiel: »Soweit ich weiß, pflegt man in Finnland zu sagen, dass in der Not auch der Bulle Kälber kriegt. Gottkann trotzdem nicht auf die Weide gehen und einfach den Bullen befehlen zu gebären, daraus wird nichts. Wenn man will, dass die Bullen Kälber bekommen, muss man erst veranlassen, dass ihnen eine Scheide und eine Gebärmutter wachsen, dann klappt es. Um diese Veränderung zu bewirken, braucht auch Gott viele Wochen, das garantiere ich.«
Pirjeri sagte, dass er die Grenzen seiner Göttlichkeit begreife.
Der Allmächtige brachte noch eine wichtige Sache zur Sprache:
»Auf der Erde gibt es, vorsichtig geschätzt, viele Millionen der verschiedensten Götter und Geister. Von Allah haben wir schon gesprochen, aber er ist nicht der einzige, sondern es wimmelt geradezu von Gottheiten. Es gibt schon allein tausende verschiedene Religionen, und wenn man die Sekten mitrechnet, sind es sogar hunderttausende. Ich bin natürlich der einzig wahre Gott, und von nun an bist du es, Pirjeri. Du musst aber trotzdem wissen, dass noch viele, zu viele andere Götter existieren. Manche sind unfähig, sogar verrückt, unberechenbar, unzuverlässig und frech. Hüte dich, sei vorsichtig, mach keine gemeinsame Sache mit ihnen. Lass sie ihren Kleinkram erledigen, damit sind sie ausgelastet, verhalte dich ihnen gegenüber väterlich kühl, lass keine Vertraulichkeit aufkommen.«
Der Erzengel Gabriel zählte kurz ein paar der wichtigsten Religionen und ihre Grundlehren auf. Er gab Einblick in den Hinduismus, erzählte von den Dschaina, den Sikh und den Parsen, sprach über den Buddhismus, den tibetanischen Lamaismus, die Lehren des Konfutse und beendete seinen Vortrag mit dem Schintoismus. Dann erwähnte ernoch, dass es in Afrika, Australien und bei den amerikanischen Indianern eigene Religionen und Götter gebe, ebenso bei den nordischen Völkern, wie etwa bei den Finnen mit ihrem Ukko Obergott und seinem Sohn Rutja.
Nach zwei Stunden beendete Gott das Gespräch und erklärte, dass er jetzt endlich seinen wohlverdienten Urlaub antreten werde. Er sprach:
»Der Moment ist gekommen. Ich baue auf dich, Pirjeri. Halte die Erde auf ihrer Bahn und lass nicht zu, dass die Menschen in meiner Abwesenheit die Schöpfung zerstören.«
Gott umarmte Pirjeri gerührt. Dann verabschiedete er sich von Petrus und Gabriel, er öffnete das Fenster, schwenkte die Hand und tat einen Schritt ins Leere. Sämtliche himmlischen Hauptengel waren nach draußen auf den Schlosshof beordert worden, an die fünftausend Geister. Die Blicke unverwandt nach oben gerichtet, verfolgten sie die Abreise ihres Gottes.
Dumpfes Dröhnen war zu hören, als Gott sich in die Höhen erhob. Seine Gestalt hüllte sich in einen funkelnden Feuermantel, der im hellen Tageslicht blinkte. Es sah gigantisch aus, ganz so, als wäre eine schwere Trägerrakete ins All geschossen worden. Fünftausend Engel brachen in Lobrufe aus und spendeten donnernden Applaus.
Gott entfernte sich schnell in den hellen Himmel, durchquerte die obersten Luftschichten, ließ die Erde mit ihrer Anziehungskraft und allem anderen hinter sich und war bald im fernen Weltall verschwunden. Der Erzengel Gabriel äußerte überwältigt:
»Ein ebenso ungestümer Auf bruch wie seinerzeit bei Elias! Unser Herr hat das absichtlich gemacht, er hat einen göttlichen Humor!«
Der allmächtige Gott, unser Herr und Vater, war fort. Der Chor der Engel stimmte ein Dankeslied für ihn an.
Pirjeri war allein. Die Erde stand nun unter seiner Verantwortung. Er ging nach unten, trat hinaus auf die Haupttreppe des Schlosses und hielt eine Rede an die Engel. Er stellte sich ihnen vor und sprach die Hoffnung aus, dass die Zusammenarbeit tadellos klappen würde. Die Engel riefen im Chor:
»Pirjeri Ryynänen, unser Herr, Amen!«
Die Weltraumspezialisten der Großmächte interpretierten die Lichterscheinung, die Gottes Abreise hervorgerufen hatte, als Folge des Abschusses einer schweren Rakete. Als Abschussort wurde – zu jedermanns Erstaunen – das Rhodopengebirge in Bulgarien ermittelt. Man schickte an die bulgarischen Behörden eilige Nachrichten, fragte nach dem Anlass für den Abschuss. Kolumnisten, die den Alltag in der Weltpolitik kommentierten, spekulierten in den Medien, ob Bulgarien in aller Stille eine Technologie entwickelt habe, die mit der
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