Der Liebe Gott Macht Blau
abgewickelt werden könnten, würde sich das Arbeitstempo der Engel um ein Vielfaches steigern, und weit mehr Gebete als bisher könnten im Himmel erfasst werden.
Als die Engel sahen, dass Pirjeri Ryynänen das Büro betrat, unterbrachen sie ihre Arbeit, erhoben sich ehrerbietig und verbeugten sich andächtig in seine Richtung. Pirjeri erklärte, dass das Dienern nicht nötig sei. Während seiner Amtszeit brauche sich niemand vor Gott zu verbeugen.
Der heilige Petrus erkundigte sich bei dem Engel, der ihm am nächsten stand, welches aktuelle Gebet er gerade aufnahm. Wie sich zeigte, war in Madagaskar eine sehr schwierige Geburt im Gange, in einer Pfahlhütte, in der es von Ameisen wimmelte. Die Frauen des Dorfes hatten begonnen, Gott um Hilfe anzuflehen, als sich herausgestellt hatte, dass das Kind in Steißlage zur Welt kommen würde. Der Zauberer schlug bereits den halben Tag lang seine Trommeln, ohne jeden Erfolg.
»Wie ist es, helfen wir der armen Frau?«, wollte Petrus wissen. Unbedingt, entschied Pirjeri. Sofort gab es bei der Geburt eine Wendung zum Besseren. Bald glitt das Kind heraus und begann, als Zeichen seiner Gesundheit, zu schreien. Erleichterung breitete sich in der Hütte aus. Die Frauen priesen Gott und sagten dem Zauberer, der so kläglich versagt hatte, dass er seine Trommeln und sein übriges Zubehör einpacken und sich trollen solle.
In einem anderen Gebet ging es um aktuelle Probleme der Bühnenkunst in Sibirien, im Künstlerischen Theater von Krasnojarsk. Der hier engagierte Schauspieler Mihail Starbukow, 30, hatte für seine Leistung in Tschechows Stück »Die Möwe« vernichtende Kritiken geerntet. Darüber war er tief deprimiert und dachte an Selbstmord. Seine Geliebte, die am selben Theater engagierte und auf die Rollen älterer Frauen spezialisierte Alla Wasiljewna, hatte versucht, den Schauspieler nach seinem Misserfolg zu trösten, mit schlechtem Erfolg. Nun bat sie Gott um Besserung des Gemütszustandes ihres Liebsten. Ihrer Meinung nach wäre es ein unersetzlicher Verlust für das Theaterleben, wenn Mihail sich aufhängen würde. Krasnojarsk würde aus der sibirischen Theaterlandschaft verschwinden.
Die Sache wurde umgehend korrigiert, Mihails Stimmung gehoben. Der Theaterchef bat den Schauspieler zu sich und versprach ihm seine Wunschrolle in der nächsten Inszenierung von »Onkel Wanja«. Auf diese Chance hatte Mihail sein Leben lang gewartet.
Im selben Atemzug entfernte Pirjeri einer schwedischen Matrone aus Umeå die schmerzhaften Gallensteine, reparierte einem alten Chinesen in Kanton das Fahrrad und erhöhte bei einer College-Schülerin in Ohio den IQ von vierundachtzig auf hundertzehn, sodass das Gänschen in der Lage war, ein Studium an der Harvard-Universität aufzunehmen. Nachdem er noch einen bedrohlichen Buschbrand in Australien gelöscht und bei einem glatzköpfigen Buddhistenmönch die weit fortgeschrittene Kopfschuppenkrankheit geheilt hatte, beendete er fürs Erste die Wundertaten. Er hatte sich vom Vorhandensein seiner göttlichen Fähigkeiten überzeugt.
Laufend strömten mehr Gebete in den Himmel, als die Engel bearbeiten konnten. Pirjeri sagte ihnen, dass sie nach eigenem Dafürhalten auswählen und in den verzweifeltsten Fällen helfen sollten, so viel sie in der Eile schafften.
Zufrieden kehrte Pirjeri mit Petrus und Gabriel ins Turmzimmer zurück.
»Ich habe mir gedacht, dass wir einen detaillierten Plan für die Betreuung der Erde erarbeiten sollten«, sagte er den beiden. »Ihr könntet ein Memorandum mit den gegenwärtigen Kriegsgebieten und Krisenherden erstellen.«
»Einen Plan?«, stöhnte Petrus. »Warum? So etwas haben wir bisher nie gehabt und sind trotzdem gut zurechtgekommen.«
Pirjeri erklärte, dass es früher vielleicht ohne Plangegangen sei, aber mit ihm als Gott werde sich der Stil ändern. Mit bloßer Improvisation werde der Himmel nicht länger geführt.
Auch der Erzengel Gabriel war nicht begeistert von der neuen Idee.
»Ich habe meine Zweifel, wenn es gestattet ist … hier sind die einzelnen Maßnahmen noch nie genau geplant worden … das Verfassen von Memoranden war einfach nicht üblich.«
Beide Kanzleichefs fanden, dass Pirjeris Gedanke von einem Plan und einem Krisenmemorandum die Bürokratie vermehren würde. Sie befürchteten, der unnötige Papierkrieg könnte den himmlischen Arbeitsablauf stören.
Pirjeri bemerkte darauf, dass die Sache in seiner Entscheidungsgewalt lag, und er brauchte für sich selbst nun mal klare
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