Der Liebe Gott Macht Blau
zutage, dass die Engel tags zuvor in aller Eile zum Thema verfasst hatten.
»Nach unseren Informationen befand sich dieses Herrenhaus vom fünfzehnten Jahrhundert bis zum Jahre 1789 im Besitz der Flemings, und danach hat hier von 1795 – 1903 die Familie Mannerheim gelebt. Klaus Fleming, derStammvater der ersten Familie und in der Hölle wohlbekannt, beraubte und ermordete Bauern zu Zeiten des Keulenkrieges. Seine Nachkommen waren auch nicht besser. Einer der Schlossherren zum Beispiel ließ eine finstere Gefängniszelle einbauen, in die er, eifersüchtig wie er war, seine Frau sperrte, wenn er auf Reisen ging. Die bedauernswerte Schöne saß manchmal monatelang dort drinnen und bekam ihr Essen durch eine kleine Luke gereicht. Und Mannerheim kennen Sie sicher, Herr … wir haben die Information, dass er in Finnland allgemein ›Blutkellengeneral‹ und ›weißer Schlächter‹ genannt wurde. Unserer Meinung nach sollte man den Himmel nicht in einem Gebäude einrichten, das eine so bedenkliche, um nicht zu sagen teuflische Vergangenheit hat.«
Pirjeri begann sich über den Widerstand der himmlischen Kanzleichefs zu ärgern. Die beiden hatten sich umfangreiches Material über die zweifellos traurige Vergangenheit des Schlosses besorgt, aber als er sie aufgefordert hatte, ein Arbeitsprogramm zu erstellen, hatten sie das als überflüssigen Papierkrieg bezeichnet. Er sprach sie darauf an. Verlegen erklärten sie, dass der Umzug des Himmels ein so großes Unterfangen sei, dass man nicht übereilt darüber entscheiden solle. Aus diesem Grunde hatten sie sich vorab über den künftigen Standort informiert. Gott möge es ihnen verzeihen, sie hatten allein im Interesse des Himmels gehandelt.
»Was würde der frühere Gott sagen, wenn er erführe, dass sich der Himmel im selben Gebäude befindet, in dem finnische Blaubärte, Ausbeuter und weiße Schlächter gewohnt haben?«
Pirjeri erwiderte darauf, dass Mannerheim von denFinnen als Feldherr verehrt wurde und dass er außerdem ein unschuldiger kleiner Junge gewesen war, als er in dem Schloss gewohnt hatte. Und seines Wissens, so Pirjeri, war der Keulenkrieg geführt worden, bevor das Hauptgebäude errichtet wurde.
»Die bulgarische Schlossruine ist in dieser Hinsicht vermutlich keinen Deut besser«, vermutete er. Der Erzengel unterstrich die Notwendigkeit, den Himmel von seinem jetzigen Standort zu verlegen, aber obwohl das bulgarische Schloss schlimm verfallen war, war es aus moralischer Sicht besser geeignet als Louhisaari. Immerhin hatte sich dort früher ein Nonnenkloster befunden. Im Schloss hatten sittlich einwandfreie Nonnen und keine blutrünstigen Schlächter gelebt.
»Na gut, mag sein, dass dieses Louhisaari nicht den Ansprüchen genügt. Aber ich bestehe darauf, dass sich Finnland so wie jedes beliebige andere Land als Himmel eignet«, sagte Pirjeri.
Jetzt zog der Erzengel Gabriel ein neues Schriftstück aus der Tasche:
»Wir haben hier ein paar Informationen über Finnland. Wenn Sie erlauben, allerhöchster Ryynänen, möchte ich auf ein paar leidige Tatsachen aufmerksam machen.«
Laut seinen Aufzeichnungen war Finnland früher ein widerspenstiges Heidenland, und das bis ins dreizehnte Jahrhundert hinein. In den entlegenen Gegenden wurden sogar noch Ende des vorigen Jahrhunderts Hexen und Geister verehrt. Das finnische Volk war mürrisch und finster, in keiner Weise geeignet als Gastgeber für das himmlische Haus. Unverbesserlicher Neid verzehrte die Menschen, das politische Leben war zerstritten, das Profitstreben derGeschäftsleute suchte seinesgleichen, Schwarzarbeit war gang und gäbe. Das Volk trank und beging Bluttaten. Das Klima war rau, die Winter waren lang und schneereich, die Sommer kurz und voller Mücken. Im Herbst regnete es pausenlos, und an den wenigen schönen Tagen im Frühjahr fegte ein schneidender Wind durchs Land. Außerdem hatten die Finnen eine ganze Reihe eigener Götter, angefangen bei Ukko Obergott, das reichte doch eigentlich für dieses Land und dieses Volk. Die Finnen beherrschten keine Fremdsprachen, waren gehemmt, ahmten völlig kritiklos die amerikanische Lebensweise nach, sie hatten …
Pirjeri Ryynänen unterbrach den Vortrag. Er erklärte in strengem Ton, dass er keine Beleidigung seines Vaterlandes dulde. Solche Schmähworte ließen sich über jedes Land und jedes Volk sagen.
»Ich teile Ihnen mit, verehrte Heilige, dass Sie mich nicht hindern werden, wenn ich beschließe, den Himmel nach Finnland zu verlegen.
Weitere Kostenlose Bücher