Der Liebe Gott Macht Blau
Kind zur Welt brachte, was würde das für sein Amt bedeuten? Musste er Gott über die Sache informieren? War es überhaupt wünschenswert, dass Pirjeri, ein Gott also, sich fortpflanzte? Wie würde Jesus, der Sohn Gottes, auf das künftige Kind reagieren? Er bekam ja jetzt eine Art Bruder oder zumindest einen Cousin, wenn man bedachte, dass Pirjeri neuerdings göttlichen Geblüts war, genau wie Jesu Vater. Das waren verwirrende Fragen, auf die Pirjeri in dieser Nacht noch keine Antwort fand. Doch zumindest errechnete er, dass er noch kein Gott gewesen war, als das Kind gezeugt wurde. In dem Sinne würde Eija also einen Menschen gebären, keinen Gott, nicht mal einen Halbgott.
Am Morgen verabschiedete er sich von Eija, sagte ihr, dass er bei passender Gelegenheit erneut hereinschauen werde, hinterließ ihr eine fingierte Adresse und ging. Er begab sich unmittelbar darauf nach Askainen zum Herrenhaus Louhisaari, wo Petrus und Gabriel in der Birkenallee, die zum Haus führte, bereits auf ihn warteten. Es nieselte, vom Meer her blies der Herbstwind und riss gelbe Blätter von den Birken. Es war wirklich ungemütlich draußen, das typisch finnische Herbstwetter.
»Lieber himmlischer Vater, wie geht es der Gemahlin?«, fragte Petrus höflich.
»Danke, gut. Du hast also geahnt, dass ich zu Hause war«, antwortete Pirjeri.
Die heiligen Männer und der finnische Gott schritten durch die Allee zu dem schlossähnlichen Herrenhaus. Pirjeri stellte den beiden das Gebäude vor. Es sei einer der ältesten Adelssitze Finnlands, bereits im siebzehntenJahrhundert erbaut. Ursprünglich habe es unmittelbar am Meer gestanden, aber das Land habe sich hier gehoben, und so sei es weiter ins Landesinnere gerückt. Pirjeri blieb stehen und dachte laut über diese Erscheinung an Finnlands Küste nach – sie rühre daher, dass während der Eiszeit die dicken Eismassen den Boden Skandinaviens eingedrückt hätten. Seit das Eis dann vor ungefähr zehntausend Jahren geschmolzen sei, hebe sich der Boden langsam wieder auf seine frühere Höhe.
»Vielleicht sollte ich etwas dagegen unternehmen, da ich jetzt Gott bin«, sinnierte er. »Andererseits hat es niemanden sonderlich gestört, dass das Land sich hier gehoben hat, es dürfte wohl am besten sein, ich lasse der Sache ihren Lauf.«
Der Erzengel Gabriel bemerkte daraufhin, dass Pirjeri, falls er es wünsche, die Macht und die Kraft habe, ganz erheblich in die Geologie des Bottnischen und des Finnischen Meerbusens einzugreifen.
»Verehrter Herrscher, Sie könnten die atlantische Kontinentalplatte nach und nach unter Skandinavien schieben, und bald würde das Wasser der Ostsee und ihrer Busen entweder ins Nördliche Eismeer oder in den Atlantik fließen. Ganz wie es beliebt. Schwere Erdbeben wären allerdings zwangsläufig die Folge.«
»Die Küstenstaaten würden aus dem Boden der Ostsee ausgezeichnetes Anbauland gewinnen und könnten weit mehr als nur für den europäischen Bedarf produzieren«, ergänzte der heilige Petrus.
Pirjeri erzählte, dass es bereits jetzt in der finnischen Landwirtschaft eine Überproduktion gebe, er verspürte kein Interesse daran, die Ostsee trockenzulegen.
Sie betraten das Hauptgebäude des leerstehenden Herrenhauses. Die heiligen Männer und Pirjeri Ryynänen schritten von Zimmer zu Zimmer, inspizierten alle drei Etagen, spähten in die Schränke und Kamine, prüften die Stabilität der Fußbodendielen. Dann sahen sie sich noch den großen Dachboden an und begaben sich gleich von dort im Gleitflug durch die Dachluke nach unten auf den Vorplatz.
»Was sagen Sie? Eignet sich das Gebäude als Himmel?«, wollte Pirjeri von seinen Kanzleichefs wissen.
»Nehmen Sie es mir nicht übel, verehrter Ryynänen, aber ich muss sagen, dass dieses Gebäude eine Enttäuschung war«, begann Petrus vorsichtig. Gabriel war ebenfalls nicht begeistert. Er beklagte die Feuchtigkeit und Kälte, es gab keine Heizungen, abgesehen von ein paar mittelalterlichen Steinkaminen. Die Räume waren trist und finster und das ganze Schloss eng. Die äußere Architektur war schmucklos, vermutlich Spätrenaissance, holländischer Stil … der passte nicht recht in diese melancholische flache Landschaft.
Petrus fuhr fort:
«Und dann die traurigste Seite an der Sache. Die Geschichte des Schlosses ist bedenklich. Hier haben zwei grausame Familien geherrscht, Augenblick, wir haben uns gestern ein wenig darüber informiert.«
Petrus förderte aus den Falten seines Mantels ein Schriftstück
Weitere Kostenlose Bücher