Der Liebe Gott Macht Blau
Konkurrenz. War Gott so erschöpft gewesen, dass ihm die himmlische Administration entglitten und ein politisches Spiel möglich geworden war?
So ganz unbesehen mochte er Moses’ Andeutungen nicht glauben. Man war immerhin im Himmel, und sowohl Petrus als auch Gabriel waren fromme alte Männer, der eine sogar Erzengel, und auch der andere immerhin einer der wichtigsten Apostel.
»Verehrter Moses, ich erkundige mich gleich morgen früh nach Obadja, das garantiere ich. Ich kann wahrhaftig nicht erlauben, dass hier im Himmel hinter meinem Rücken Machtspiele gespielt werden. Aber jetzt bin ich so müde, dass ich mich zur Ruhe legen möchte. Einigen wir uns darauf, dass du am Morgen noch vor Sonnenaufgang wiederkommst. Gabriel und Petrus erscheinen gegen sechs Uhr zur Entgegennahme der Arbeitsanweisungen. Wir werden sie ordentlich ins Gebet nehmen.«
Moses verbeugte sich tief und versprach, rechtzeitig da zu sein, wenn Petrus und Gabriel auf den Fall Obadja angesprochen würden.
Ein Klopfen weckte Pirjeri Ryynänen am Morgen: Der alttestamentarische Patriarch war bereits da und wartete auf das vereinbarte Gespräch mit den Kanzleichefs.
Inzwischen unterhielt sich Pirjeri mit ihm über das Themades vergangenen Abends, Petrus’ und Gabriels Eigenmächtigkeiten. Pirjeri verriet, dass er mit den beiden in Louhisaari gewesen war, um nach einem geeigneten Himmelsstandort anstelle der gegenwärtigen düsteren Schlossruinen Ausschau zu halten. Petrus und Gabriel hatten Louhisaari scharf kritisiert und am Ende an ganz Finnland kein gutes Haar gelassen. Er, Pirjeri, musste zu seiner Schande gestehen, dass er ausgerastet war und damit gedroht hatte, den Himmel in die Moore von Pudasjärvi zu verlegen.
Moses fand, dass es keinen Hinderungsgrund gab, mit dem Himmel nach Finnland umzuziehen, und er wunderte sich über Petrus’ und Gabriels Widerstand. Finnland war wahrlich ein schönes und entwickeltes Land und zu alledem auch noch lutherisch. Moses wies darauf hin, dass es seines Wissens in Finnland viele hundert Kirchen gab. Könnte man den Himmel nicht einfach dorthin verlegen? Die Kirchen waren ja schon an sich Gotteshäuser.
Pirjeri bestätigte, dass Finnland mit Kirchen vollgebaut war. In jeder Landgemeinde stand eine, und in den Städten sogar mehrere. Aber den Himmel dort anzusiedeln war ausgeschlossen, denn sie wurden anderweitig genutzt.
»Wie ›anderweitig genutzt‹?«, fragte Moses verwundert.
»Sie sind Eigentum der Kirchgemeinden. Und der Himmel passt auch gar nicht hinein.«
Moses war anderer Meinung:
»Ich habe gehört, dass gerade in Finnland gähnende Leere in den Kirchen herrscht, die Finnen fühlen sich in ihnen nicht wohl. Wo, wenn nicht dort, gäbe es reichlich geeigneten kirchlichen Raum für den Himmel?«
Pirjeri musste zugeben, dass Moses Recht hatte. Hunderte lutherischer Kirchen in Finnland standen leer. Abersonntags wurden dort immerhin Gottesdienste veranstaltet, an denen ein paar alte Mütterchen teilnahmen. Wie stellte Moses sich das vor, die Engel konnten in der Kirche ja nicht arbeiten, wenn dort jeden Sonntag ein Pastor für einige alte Leute predigte. Das vertrug sich nicht recht miteinander, fand Pirjeri.
Moses machte darauf aufmerksam, dass sonntags auch im Himmel traditionell Ruhetag war. Die Engel konnten dann machen, was sie wollten, beispielsweise sich das Dorf ansehen. Und außerdem, ein Gottesdienst im Himmel war doch keine üble Sache! Pirjeri sollte bedenken, dass er ja momentan selbst Gott war. Da schien es doch nur wünschenswert, dass die Leute einmal in der Woche in den Himmel oder vielmehr in ihre Kirche kamen und ihm zu Ehren Lieder sangen.
»Und sollte es den Leuten nicht passen, dann würde ich die alten Omas zum Singen ins Altenheim und den Pastor als Missionar nach Ovamboland schicken.«
Die finnischen Kirchen waren allerdings zu klein, wenn man sie mit den großen europäischen Gotteshäusern verglich, mit dem Petersdom in Rom oder mit dem Kölner Dom. Finnland war ein armes Land, und obwohl im Laufe der Jahrhunderte jede Menge Kirchen gebaut worden waren, boten sie dennoch nicht den Raum, den der Himmel benötigte.
Moses behauptete jedoch, gehört zu haben, dass gerade in Finnland im Verhältnis zur Bevölkerungszahl ungewöhnlich große Kirchen gebaut worden waren:
»Man hat mir erzählt, dass in Finnland die größte Holzkirche der Welt steht. Ich weiß nur nicht mehr den Ort, ich bin ja kein spezieller Finnlandkenner.«
Auch Pirjeri erinnerte sich
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