Der Liebe Gott Macht Blau
dass im Frühjahr zwei Engel, die zu eigenmächtig gehandelt hatten, in die Hölle verbannt werden mussten. Sie hatten sich der Vetternwirtschaft schuldig gemacht. Die Engel verfügten über Möglichkeiten, ihren noch lebenden Verwandten vom Himmel aus zu helfen, aber das wurde nicht gern gesehen. Ein kriminelles Gebet darf nicht erhört werden, selbst wenn es von der eigenen Mutter oder der auf der Erde zurückgebliebenen geliebten Braut kam.
Einmal in der Woche, für gewöhnlich gerade montags, rief Pirjeri die frisch gestorbenen Engel in einem Raum zusammen und hielt eine kurze Begrüßungsrede. Im Allgemeinen waren es pro Woche fünfhundert Engel, die da zusammenkamen. Diese Zahl ist als gering anzusehen, wenn man bedenkt, dass auf der Erde jährlich im Durchschnitt hundert Millionen Menschen sterben. Das macht 280 000 Seelen pro Tag, unter ihnen sind für gewöhnlich etwa 70 000 Christen. Da nur jeder tausendste Christ ein Engel wird, treffen täglich im Himmel siebzig neue Engel ein. Pro Woche also ein Aufmarsch von fünfhundert Engeln.
Pirjeri registrierte, dass sich nur selten Finnen unter den Engeln befanden. Und die wenigen, die kamen, waren im Allgemeinen Laienprediger, fromme Frauen oderKulturkritiker, in dieser Reihenfolge. Das stimmte den stellvertretenden Gott traurig, aber er konnte nichts machen. Verschlossene, neidische und gierige Menschen kommen nun mal nicht in den Himmel.
Pirjeri war soeben vom Inarisee zurückgekehrt. Er ahnte, dass der Teufel auf Rache sann, nachdem er auf dem Ukonkivi eine Niederlage erlitten hatte. Im Augenblick war jedoch nicht der richtige Moment, sich um die himmlische Verwaltung zu kümmern. Pirjeri musste sich an die Verfolgung machen, musste losstürzen und die Krisenherde auf der Welt unter Kontrolle bringen, damit nicht der rachedurstige Teufel Gewalt über sie bekam.
Die Verfolgung begann in Osttimor, wo immer wieder Bürgerkrieg droht. Pirjeri war es bisher gelungen, größere Bluttaten zu verhindern. Wie aber stand es aktuell um Timor? Das alte Elend konnte jedoch nicht auf ewig weitergehen, daher wollte Pirjeri rechtzeitig vor Ort sein.
Dann nach Afghanistan. Der Teufel tauchte auch dort nicht auf. Alles verlief hier planmäßig.
Also in den Kosovo, der ja ein wahrer Tummelplatz des Erzfeindes ist. Ohne Pirjeris Eingreifen hätte hier ein erneuter Bürgerkrieg gedroht. Der Satan war in Fahrt. Er hatte bitteren Nationalismus unter den Menschen gesät, aber jetzt machte Pirjeri dem ein Ende.
Dann nach Nordirland, wo der Satan zum Glück wenigstens zu diesem Zeitpunkt nicht wütete.
Von Nordirland aus eilte Pirjeri ans Horn von Afrika, nach Somalia und Äthiopien. Hier hatte sich der Erzfeind schon seit Jahren unbehelligt austoben können. Die unglücklichen Völker hatten unsägliches Leid ertragen müssen. Der Bürgerkrieg, die jahrelange Dürre und dieÜberschwemmungen mit den dadurch verursachten Epidemien hatten Millionen unschuldiger Menschen getötet. Pirjeri suchte nach dem Satan, um sich seiner zu bemächtigen, aber der passte auf und zeigte sich nicht.
Die Verfolgungsjagd ging weiter über den Nahen Osten, Israel, Libanon, Jordanien und den Irak bis in den Iran. Ein trostloser Erdenwinkel, auf dem Gottes Auge da ruhte. An diesem Tag wurden in der Region dank Pirjeri keine größeren Kämpfe ausgefochten. Leid und Hass gab es dafür umso mehr. In Nablus konnte Pirjeri gerade noch rechtzeitig ein lokales Geplänkel verhindern, etwa zehn Menschen blieben diesmal vom Tode verschont.
Es war bereits später Abend. Trotzdem schaffte Pirjeri es noch, die Kurden im Iran, im Irak und in der Türkei zu besuchen. Er dachte bei sich, dass es gut wäre, für sie einen eigenen autonomen Staat in der Gebirgsregion jener Länder zu schaffen. Wenn seine Zeit und Energie ausreichten, würde er das noch erledigen, als Überraschung für Gott. Im Spätwinter müsste er die Sache in Angriff nehmen.
Erst gegen elf Uhr abends kehrte Pirjeri nach Bulgarien zurück, wo er sich ins Turmzimmer zurückzog und, müde von der Verfolgungsjagd, in seinen Sessel fiel. Er sagte sich, dass er als Mensch eine Flasche kaltes Bier geschlürft, die Seele baumeln gelassen und die am Mond vorbeiziehenden Nachtwolken beobachtet hätte.
Es klopfte an der Tür. Wer kam noch um diese Zeit? Gönnte man ihm denn überhaupt keine Ruhe von den Angelegenheiten der Welt? Pirjeri konnte Gott inzwischen gut verstehen und beneidete ihn ein wenig um seinen geruhsamen Urlaub irgendwo am Rande der
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