Der Liebesbeweis
Edgecomb bei KRZE vorfuhr, sah sie, dass die Zahl der Demonstranten noch gestiegen war. Diesmal hielten sie Transparente hoch mit Bildern von Bauarbeitern, die am Daumen lutschten und sich an eine Schmusedecke klammerten – offenbar eine Reaktion auf ihre letzte Sendung. Zweifellos machte sie Jess das Leben schwerer, aber ihr blieb keine andere Wahl, wenn sie den Kampf gewinnen wollte.
“Hallo, Ava”, begrüßte sie die Praktikantin lächelnd, als sie die Lobby betrat. “Anscheinend wächst die Unterstützung für unsere Sache weiter.”
Ava wirkte bedrückt. “Was spielt das noch für eine Rolle?”
“Wie bitte?”
“Hat Edgecomb dir nicht gesagt, weshalb er dich sprechen will?”
Katie beschlich ein ungutes Gefühl. “Nein.”
“Geh lieber rein. Und falls du hinterher mit jemandem Margaritas trinken willst, ich habe keinen Unterricht.”
“Du machst mir Angst, Ava.”
“Geh rein. Ich darf nichts sagen. Das hat Edgecomb mir ausdrücklich erklärt, also habe ich beschlossen, zur Abwechslung mal brav zu sein.”
“Tja, dann finde ich es wohl besser selbst heraus.”
Edgecomb saß am Computer, als Katie an seine offene Bürotür klopfte. “Setzen Sie sich. Ich schreibe nur rasch diese E-Mail zu Ende.”
Sie kam seiner Aufforderung nach und beobachtete, wie er in rasender Geschwindigkeit tippte, als hätte er es wahnsinnig eilig, seine Gedanken in die Welt hinauszuschicken.
Schließlich drückte er einen Knopf und wandte sich ihr zu. “Katie …”
“Mr Edgecomb …”
“Die Eigentümer des Senders sind sehr zufrieden mit Ihnen. Sie haben mich sogar autorisiert, Ihnen mehr Geld anzubieten. Das kann man immer gebrauchen, nicht wahr?” Sein Lächeln wirkte gezwungen.
“Ich habe nicht vor, eine Gehaltserhöhung abzulehnen. Wollten Sie mich deshalb sprechen?”
“Dank Ihrer Kampagne waren die Eigentümer in der Lage, einen weitaus höheren Preis für das Grundstück zu fordern. Und heute Morgen haben sie ihn bekommen.”
Sie sah ihn perplex an. Vielleicht hatte sie nicht richtig verstanden. “Ich bin ein wenig verwirrt. Ich dachte, die Eigentümer hätten sich entschlossen, nicht zu verkaufen.”
“Sie haben bereits verkauft.”
“Verkauft? Ich dachte, sie unterstützen den Wunsch, das Grundstück zu behalten.”
“Nein, sie unterstützten Ihre Sendung, sobald sie feststellten, dass sie den Preis in die Höhe trieb. Die Verhandlungen laufen seit letzter Woche, und heute Morgen machte Livingston Development ein überzeugendes Angebot, falls wir zusichern, Ihnen einen Maulkorb anzulegen. Die Eigentümer haben es akzeptiert.”
Katie fühlte sich benommen. Sie hatte verloren. Schlimmer noch, sie hatte nie eine Chance gehabt.
“Wir haben ein neues Gebäude in der Main Street gefunden. In zwei Wochen zieht der Sender um. Der Abriss soll so schnell wie möglich beginnen.”
“Der Abriss”, wiederholte sie mechanisch.
“Genau. Harkins Construction übernimmt das. Anscheinend hat Harkins sich heute Morgen den Auftrag geschnappt, noch bevor die Tinte auf dem Kaufvertrag trocken war.”
Verraten. Von dem Mann, dem sie vertraut hatte. Sie glaubte nicht, dass es genug Tequila auf der Welt gab, um diesen Schmerz zu ertränken. Aber sie würde es versuchen.
11. KAPITEL
Der Vormittag war extrem hektisch für Jess gewesen. Zum Glück hatte jemand bei Livingston Development daran gedacht, ihm eine Nachricht zu hinterlassen, dass das Geschäft wegen des KRZE-Grundstücks unter Dach und Fach war. Es war ihm gelungen, sofort Kontakt mit ihnen aufzunehmen und ein Angebot für die Abrissarbeiten zu machen. Es war lächerlich niedrig, weshalb er den Zuschlag bekam.
Sicher hielten sie ihn für verrückt, aber sie hatten keine Ahnung, wie verrückt er wirklich war. Der Auftrag würde ein Verlustgeschäft sein, doch das war ihm egal. Geld war seine geringste Sorge.
Ihm war klar, wie aufgebracht Katie sein musste. Kein Wunder, musste sie doch annehmen, dass das Haus ihrer Großmutter dem Erdboden gleichgemacht würde. Daher wollte er ihr so schnell wie möglich von seiner Idee erzählen. Aber weder Katie noch Ava waren im Sender, als er dort vorbeischaute.
Vielleicht versuchte Katie bereits, sich mit Margaritas zu trösten. Jess beschloss, es bei Jose’s zu versuchen.
Katie war bei ihrer zweiten Margarita, aber der Alkohol wirkte offenbar nicht. Sie hatte gehofft, vergessen zu können. Stattdessen wurde sie immer wütender. Sie war gerade dabei, mit Ava wilde Rachepläne zu schmieden, als
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