Der Liebespakt
Obst geredet.
Peter von Randow funkelte Georg böse an. Plötzlich wurde überdeutlich, wie verbissen die beiden Jahre lang gegeneinander
gekämpft hatten. Peter von Randow hatte alles darangesetzt, Georg zu verhindern. Es war ihm nicht gelungen. Morgen würde dieser neureiche Aufsteiger Konzernchef werden. Und Randow konnte nichts mehr dagegen tun.
»Auch jüngeres Obst kann Macken haben, wenn der Kern faul ist«, fauchte er.
In diesem Moment hätte man in dem großen Saal eine Stecknadel fallen hören können. Keiner sagte ein Wort, kein Gewisper, alles starrte gebannt auf die beiden Vorstandsherren. Von draußen, vom Hof des Sony Centers, drangen die üblichen Geräusche eines warmen Sommerausgehtages - Gelächter, Gehupe, Stimmen. Aber hier drinnen herrschte Stille. Das Mikrofon des Sternekochs knarzte kurz auf. Alles schrak zusammen.
»Krass. Haut der Junge jetzt dem Alten eine rein?«, fragte eine Schülerin, die hinter Toni stand, flüsternd.
»Der hat doch det Küchenholz inner Hand. Det is besser als ein Baseballschläger«, flüsterte ihre Freundin zurück.
»In diesen Kreisen prügelt man sich nicht«, wisperte jetzt Toni.
Georg legte in diesem Moment tatsächlich das Nudelholz hin. Dann wischte er sich seine mehligen Hände an der Schürze ab und trat einen Schritt nach vorne. Er ließ sich vom Sternekoch das Mikro geben.
»Meine Damen und Herren, liebe Gäste, ich will kein Hehl daraus machen, auch im Konzern ist es längst kein Geheimnis mehr: Peter von Randow und ich hatten unsere Differenzen. Aber«, jetzt machte Georg eine kunstvolle Pause, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen, »ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, wie sehr ich seine Arbeit respektiere. In den letzten neun Jahren hat Peter von Randow den Konzern an die Weltspitze geführt. Wir sind inzwischen international verankert. Die Gewinne haben um ein Vielfaches zugenommen, wir stehen - trotz der zuletzt weltweiten Finanzkrise - stabil an der
Börse. Das alles haben wir diesem Mann zu verdanken.« Jetzt drehte sich Georg Jungbluth zu Randow um und sprach ihn direkt an. »Herr von Randow, lieber Peter, du warst der härteste Lehrmeister, den man sich denken kann, und damit auch der allerbeste. Wir alle sind dir zu größtem Dank verpflichtet. Ich weiß, wie groß die Fußstapfen sind, in die ich morgen treten will. Aber ich denke, ich kann es schaffen - weil du mir gezeigt hast, wie es gehen kann. Dafür, Peter, danke ich dir!«
Und dann tat Georg einen Schritt auf Randow zu und hielt ihm versöhnlich die Hand hin. Der wischte seine Hand nun auch in der Schürze ab, und die beiden vollführten einen filmreifen Handshake vor dem Publikum, das sich inzwischen von den Sitzen erhoben hatte und stehend applaudierte. Das war großes Kino.
Die Männer brachten danach in seltener Harmonie ihr Quick-Delice von der Birne zu Ende - einträchtig belegten sie die Blätterteigbirnenböden mit den gesüßten Birnenschnitzen. Der Sternekoch heizte den Ofen vor. Der kommende und der scheidende Vorstandschef schoben die ersten Bleche hinein.
Georg machte sich gerade am letzten Tarteblech zu schaffen, als sich Randow dicht hinter ihn stellte und ihm leise zuflüsterte: »Es ist noch nicht vorbei, Jungbluth. Es ist nie vorbei.«
Doch der drehte sich daraufhin einfach lächelnd zu Randow um und legte seinen Arm um seinen langjährigen Chef. Über seiner Hand, die sich um Randows Smoking-Sakko legte, war noch der Ofenhandschuh gezogen. Die beiden Männer lachten einträchtig ins Publikum und hielten die Daumen hoch. Minuten später begann der Service den Nachtisch zu servieren.
Erschöpft trat Toni um Mitternacht auf die Innenterrasse, von der aus man in den belebten Hof des Sony Centers schauen konnte. Margot begleitete sie und steckte sich sofort eine Zigarette
an. Sehnsüchtig schaute Toni auf die Zigarette in Margots Hand. Jetzt auch eine rauchen. Ab morgen war das alles wieder möglich - nach Georgs offizieller Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden war sie frei. Sie konnte danach tun und lassen, was sie wollte. Das Scheinkind? War längst abgegangen, aber man hatte die Vorstandswahl nicht von so einer privaten Tragödie überschatten lassen wollen. Die Erklärung für die Presseabteilung des Konzerns lag schon bereit. Sie war sehr knapp gehalten, schließlich, so der erste Satz, handle es sich hierbei um eine Privatangelegenheit. Deshalb werde es nur diese eine Erklärung geben, nichts weiter.
»Lass mich mal ziehen«, bat Toni ihre
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