Der Liebespakt
Freundin.
Die hielt ihr zwar sofort die Zigarette hin, meinte aber zögernd: »Solltest du nicht in der Öffentlichkeit …«
»Nur ein Zug.« Toni inhalierte tief. Schlagartig wurde ihr schlecht. Vermutlich die Erschöpfung. Vielleicht war es auch der Ekel vor dem ganzen Treiben.
Georg hatte sich tatsächlich gut verkauft mit dieser kleinen Rede auf Randow. Jetzt war er der König. Ungekrönt zwar noch, aber der König. Man hatte schon während des Nachtisches gemerkt, wie sich das ganz Raumgefüge plötzlich geändert hatte. Hatte am Anfang des Abends noch Randow im Mittelpunkt gestanden, war es nun Georg. Alle wollten mit ihm reden, zogen ihn zur Seite. Karoline scharwenzelte unermüdlich um Georg herum. Sie sah sich offensichtlich auch am Ziel ihrer Träume angekommen. Was wohl Tom davon hielt? Er musste doch spätestens jetzt etwas merken.
Angewidert drehte sich Toni von den Gästen weg und schaute runter in den Hof des Sony Centers, wo die normalen Menschen in Sommerkleidern und Kombis aus kurzen Hosen und T-Shirts flanierten. Bald würde sie wieder dazugehören und diese Welt hier oben hinter sich lassen. Toni bedauerte das nicht.
Ob Karoline wusste, dass Georg und sie noch mal miteinander geschlafen hatten? Vermutlich nicht. Georg war zu feige, um solche Dinge zu beichten. Oder zu bequem. Außerdem - einen Porsche belästigte man nicht mit solchen Alltäglichkeiten.
Toni ließ sich ein zweites Mal die Zigarette reichen und zog daran. Wieder Übelkeit. Sie sollte es heute Abend einfach lassen.
»Das ist aber nicht gut für das Baby«, sagte eine tadelnde Stimme. Toni schaute zur Seite, neben ihr war plötzlich Sebastian Koch aufgetaucht und lehnte am Geländer. Langsam gewöhnte sie sich an das Gesicht des Reporters. Er schien in letzter Zeit überall dort zu sein, wo Georg oder sie waren. Egal.
»Sie haben recht«, sagte Toni müde. Ein letztes Mal lügen. Eigentlich hatte sie keine Lust mehr dazu. Warum ihm nicht einfach sagen: Die Schwangerschaft ist vorbei. Spontaner Abort. Tragisch, ja, ich weiß. Dann würde es übermorgen in der Zeitung stehen und gut. Aber vermutlich würde Georg ihr dann die Hölle heißmachen, weil die Nachricht in der Online-Ausgabe prompt mit seiner Wahl zusammenfallen würde. Nichts sollte seinen Triumph morgen in den Schatten stellen. Also schwieg Toni.
»Spüren Sie eigentlich schon etwas? Kleine Tritte oder so?«, fragte Sebastian Koch freundlich und doch irgendwie lauernd.
»Nein«, sagte Toni freimütig. Das entsprach nun wirklich der Wahrheit.
»Das glaube ich Ihnen sofort.« Sebastian Koch grinste breit, fast frech.
Toni drehte sich von dem Redakteur weg und schaute nach, was drinnen los war. Die Gala war ein voller Erfolg, Ramona Rottenbacher schwebte auf Wolke sieben. 56 000 Euro Spenden hatte man für den Haushaltsführerschein gesammelt, damit die Kurse umsonst in Problembezirken stattfinden konnten.
Beate von Randow ging zwitschernd von Tisch zu Tisch und plauderte glücklich. Ihr schien eine Last genommen zu sein. Sie hatte wohl längst die Nase voll davon, mit einem ewig abwesenden Mann zu leben. Nein, die Stimmung drinnen war gut. Inzwischen hatte ein DJ Musik aufgelegt, es wurde sogar getanzt. Oder zumindest stand man bewundernd herum und sah begeistert zu, wie unglaublich sich die Schüler aus Neukölln bewegen konnten.
Mittlerweile war es nach halb eins, die ersten Gäste gingen, aber das war normal. Viele Galas waren schon um elf Uhr wie leergefegt. Toni schaute wieder runter in den Innenhof, ob da schon die ersten Heimgänger zu sehen waren. Tatsächlich - Toni konnte das Ehepaar Rosenstätter in Begleitung eines zweiten Paares erkennen. Die vier stachen aus der Menge heraus, weil sie so elegant gekleidet waren. Jetzt blieben sie stehen. Neugierig stützte Toni die Arme auf das Geländer und beobachtete weiter, was dort unten geschah. Ein Zeitungsverkäufer war hinzugetreten. Ab Mitternacht bekam man in Berlin immer schon die Zeitung des nächsten Tages, das war ein hübscher Zug der Großstadt. Beide Herren kauften eine Zeitung, schlugen sie auf, lasen, die Damen beugten sich darüber. Dann schauten sie aufgeregt nach oben, zeigten mit den Fingern hoch. Irritiert wandte sich Toni an Margot.
»Was ist dort unten los?«.
»Was meinst du?«, fragte Margot zurück, die nichts mitbekommen hatte.
Toni wollte nun Sebastian Koch fragen, aber der war so unauffällig verschwunden, wie er aufgetaucht war. Irgendwie beunruhigt ging Toni nach drinnen. Sie
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