Der Liebespakt
Garten im Grunewald gepflückt. Das Gala-Publikum verfolgte die Szene auf der Bühne halb staunend, halb beunruhigt. Man wusste noch nicht recht, wohin die Fahrt ging.
»Wo ist denn der Koch?«, rief Toni in den Raum.
Grinsend trat der Sternekoch aus den Kulissen. Der aus dem Fernsehen bekannte Kochstar hatte sich bereit erklärt, an diesem Abend das Essen für die Gala zu catern. Ihm gefiel die Idee, gemeinsam mit Schülern einer Problemschule aus Neukölln vor aller Augen zu kochen. Tatsächlich war das Konzept auch hervorragend angekommen - Vorspeise und Hauptgang waren locker und mit vielen Lachern über die Bühne gegangen.
»Meine Damen, Sie wollen jetzt den Nachtisch servieren?«, sprach er ins Mikro. »Das würde ich auch gerne! Aber wir sind noch nicht fertig. Die Schüler und ich brauchen Hilfe.« Suchend schaute sich der Sternekoch um. »Wie wäre es mit diesem Herren?« Er zeigte auf Peter von Randow. Der lachte und tat so, als sei er von der Einlage überrascht. Aber besonders gut schauspielern konnte er nicht. Toni fackelte nicht lange und band Peter von Randow die Schürze um. Das Gala-Publikum johlte.
»Reicht Ihnen einer? Oder wollen Sie noch eine weitere Führungskraft aus dem Vorstand?«, fragte Beate von Randow, ging
entschlossen zwei Schritte nach vorn und zog Georg von seinem Sitz empor.
»Der ist prima, den nehme ich.« Und schon hatte auch Georg Jungbluth eine Schürze um.
So kam es, dass Peter von Randow, der scheidende Vorstandsvorsitzende, und Georg Jungbluth, der designierte Vorstandschef, vor den Augen von 260 Gästen der Abendgala eine Quick-Delice von der Birne zubereiteten. Genau genommen war es eine warme Birnentarte, serviert mit einer Kugel industriell hergestelltem Vanilleeis. Das war schließlich das Motto des Abends - Selbstgemachtes und Gekauftes so zu kombinieren, dass es außergewöhnlich gut schmeckte, möglichst frisch war und trotzdem flott von der Hand ging. Georg bekam den Auftrag, den aufgetauten Blätterteig mit einem Nudelholz auszurollen, während Peter von Randow mit einer verchromten Ausstechform, die einer Birne nachempfunden war, danebenstand. Die sollte er jetzt in den ausgerollten Blätterteig drücken, um die einzelnen Birnentarteböden herauszuschneiden.
»Fangen Sie ruhig an, Herr von Randow. Im Ausstechen haben Sie ja Erfahrung.« Georg konnte sich den Seitenhieb nicht verkneifen. Peter von Randow hatte bis zuletzt versucht, gegen ihn zu intrigieren. Erst als er mit dem von Aleksej Wolkow unterschriebenen Vertrag in Berlin angekommen war, hatte Randow Ruhe gegeben.
»Aber gerne. Dafür müssten Sie mir allerdings Platz machen. Ein allerletztes Mal, versteht sich.« Peter von Randow nahm den Hieb souverän. Das Publikum hielt den Atem an und amüsierte sich.
Georg war schon dabei, etwas weiter rechts in der Showküche eine neue Platte Blätterteig auszurollen. Doch diesmal hatte er vergessen, die Nudelholzrolle einzumehlen. Der Teig klebte am Nudelholz.
»Machen Sie sich nichts vor: Irgendetwas bleibt immer kleben, Jungbluth«, sagte Randow mit einem hämischen Seitenblick, während Georg leise fluchend versuchte, den Teig vom Nudelholz abzuknibbeln.
»Wenn man nichts zu verbergen hat, bleibt auch nichts kleben«, murmelte Georg geistesabwesend ins Mikrofon, während er sich mit dem widerspenstigen Teig rumärgerte.
»Irgendetwas hat jeder zu verbergen«, gab von Randow kühl zur Antwort.
»Sie also auch?« Georg schaute Randow direkt und provozierend an. Jetzt waren die ersten schrillen Lacher im Publikum zu hören. Das war wirkliche eine amüsante Show, die hier geboten wurde.
»Vielleicht fangen wir lieber an, die Birnen vorzubereiten«, mischte sich jetzt Toni ein, die keinesfalls wollte, dass hier irgendetwas eskalierte. Dies sollte ein amüsanter Abend sein. Und bleiben. Eilig holte der Starkoch Tüten mit fertiggeschnitten Birnen hervor.
»In gut sortierten Supermärkten und Obstläden können Sie das Obst inzwischen vorgeschnitten und entkernt kaufen. Das spart dem modernen Menschen viel Zeit«, sprach er ins Publikum.
Zwei Schüler traten hervor, begannen die Tüten aufzureißen und die Birnen in große Schüsseln auszuschütten. Beate von Randow zuckerte die Birnenschnitze kräftig.
»Sie sollten allerdings aufpassen, dass die Birnen beim Kauf nicht matschig sind. Birnen werden matschig, wenn …«, fing der Sternekoch an.
»… sie zu alt sind«, ergänzte Georg den Satz - und allen war sofort klar, hier wurde nicht mehr über
Weitere Kostenlose Bücher