Der Liebespakt
optimistisch, die Dachgeschoss-Wohnung noch dieses Jahr verkauft zu bekommen. Es gab mehrere Bewerber, die den Preis gegenseitig hochdrückten. Es war ein Segen, dass Toni finanziell nie so sehr unter Druck war, die Wohnung sofort verkaufen zu müssen. Aus dem Verkauf der Möbel und vor allem aus dem Verkauf des Bildes der Leipziger Schule hatte sie genug Geld erhalten, um pünktlich alle Kredite zu zahlen. Es waren Margot und Ellen, die Tonis Leben in Berlin abwickelten. Margot hatte sich kurzerhand Visitenkarten drucken lassen und nannte sich nun die »Toni-Treuhand«. Nur der gelbe Kangoo hatte keine Käufer gefunden, also hatte Toni das Auto einfach Margot geschenkt.
Von Georg hatte sie bis heute nichts gehört. Zuerst hatte sie nach der Schlägerei im Tiergarten noch auf ein paar Abschiedszeilen gewartet, aber es war keine Nachricht gekommen, auch später nicht - nie mehr.
Frau Schurz schien Tonis Gedanken zu lesen. »Haben Sie irgendetwas von ihm gehört?«, fragte sie zögernd.
»Nein, ich habe keine Ahnung, wo er ist. Georg hat mir eine Vollmacht hinterlassen, die mir in allen geschäftlichen Dingen
freie Hand lässt. Das ist alles. Ich habe keine Adresse und keinen einzigen Hinweis, wo er sich aufhält. Alles, was ich weiß, ist, dass sein Pass weg ist.«
»Das tut mir leid«, sagte Frau Schurz.
»Kein Problem, ich komme damit klar. Ich arbeite, habe mein Auskommen, bin selbstständig. Ich vermisse diese Wirtschaftswelt nicht. Übrigens: Wie macht sich Tom als neuer Vorstandsvorsitzender?«
»Der Mann macht Furore als erster bekennender homosexueller Konzernchef. Alle berichten über ihn - sogar Medien aus Japan und Amerika. Es ist, als habe alle Welt auf diesen Moment gewartet. Er hat auch einen ehrgeizigen, geschickten Pressesprecher: Sebastian Koch. Sie erinnern sich sicher. Er hat wenige Tage nach der Gala bei der Boulevardzeitung gekündigt und arbeitet jetzt für den Konzern. Seine Bezahlung soll horrend sein. Ich höre übrigens, dass er am Kauf Ihrer alten Wohnung interessiert ist.«
Deshalb also hatte schlagartig die Boulevard-Berichterstattung über den Konzern, Georg und Tom aufgehört. Angeblich hatte sich sogar die Politik eingemischt. Man dürfe ein deutsches Unternehmen und seine Führungspersönlichkeiten nicht so öffentlich bloßstellen, das sei nicht im Interesse der nationalen Wirtschaft.
»Und Karoline?«
»Die war kurze Zeit in einer teuren Psycho-Klinik - Nervenzusammenbruch, Burn-out. Dort hat sie ihren neuen Freund kennengelernt, ein hohes Tier vom Fernsehen, der mit der gleichen Diagnose dort eingeliefert worden war. Die beiden werden wohl irgendwann heiraten. Er muss sich allerdings erst von seiner Frau scheiden lassen.«
»Sie kann nicht anders, oder?«, lachte Toni.
»Nein, kann sie nicht. Nur wenn Karoline jemandem etwas
wegnehmen kann, ist sie glücklich. Sie nennt das Challenge.«
»Warum rufen Sie eigentlich an?«, fragte Toni plötzlich.
»Ach, eigentlich wollte Aleksej etwas von Ihnen. Ich reiche den Hörer gleich weiter. Ich wollte nur wissen, wie es Ihnen geht. Ihnen und …«, Frau Schurz zögerte einen Moment, »… dem Baby.«
»Sie wissen davon?«, sagte Toni erstaunt. »Ich dachte, das sei nun tatsächlich ein Geheimnis.«
»Im Konzern habe ich noch kein Gerücht gehört, keine Sorge. Ich werde es auch nicht weitererzählen. Erfahren habe ich es aus einer ganz anderen Ecke. In London wohnen viele Russen, Toni, wir sind dort gut vernetzt.« Sie spricht also schon von Aleksej und sich als »wir«, dachte Toni. Es freute sie. Sie gönnte Frau Schurz dieses Glück.
»Dem Baby geht es gut, danke. Es wächst im Verborgenen vor sich hin.«
Verwundert strich sich Toni über den Bauch, der schon deutlich gerundet war. Es war ein sonderbares Gefühl, schwanger zu sein. Sie hätte vorher gedacht, sie würde sich erhabener fühlen. Tat sie aber nicht. Es befremdete sie zu sehen, wie der Bauch dicker wurde. Sie versuchte sich vorzustellen, dass da jemand drin wuchs und schon klitzekleine Arme und Beine hatte, aber es war ihr nicht möglich. Das Baby blieb abstrakt. Sogar, wenn sie das Kind auf dem Ultraschall sah. Aber noch spürte sie auch keine Bewegungen.
»Toni, ich weiß, Sie befinden sich in einer schwierigen Situation, trotzdem wollte ich Ihnen sagen, wie sehr ich mich für Sie freue. Ihr Mann und Sie haben so lange versucht, ein Kind zu bekommen. Ich bin mir ganz sicher, Sie werden eine tolle Mutter. Und glauben Sie mir, auch wenn es nicht immer angenehm
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