Der Liebespakt
geübtem Blick stellte Toni noch zwei hölzerne Zigarrenkisten der Gründerzeit und einen wunderschönen Aschenbecher aus Marmor auf die Beistelltische, obwohl heutzutage Rauchen so sehr verpönt war. Aber für sie waren Geld, Macht und Männlichkeit weiterhin mit einer Zigarre verbunden. Sie ahnte allerdings, dass nach zwei Zügen an einer Romeo y Julieta die Sprinkleranlage im Haus anspringen würde.
Die gebogenen Lampen aus Chrom passten nicht schlecht in die neue Gestaltung, Toni ließ sie stehen, gab ihnen aber eine ultra-elegante Art-déco-Stehlampe an die Seite. Deren Schirm, dieses üppige, mundgeblasene Glas, war meilenweit vom heutigen milchglasigen IKEA-Stil entfernt. Liebevoll fuhr Toni mit dem Finger über den Lampenschirm, der wie eine kostbare Schale von seinem goldenen Lampenständer hochgehalten wurde. Ihr Blick fiel auf Georgs Schreibtisch. Der musste weg. Er war so schwarz, kantig, modern. Er tat so, als sei Machtrausch eine asketische, kontrollierte Sache. Was für eine schamlose Lüge.
Toni winkte zwei ihrer Handwerker heran. »Schafft bitte dieses Ding hier raus.«
Als Ersatz hatte Toni aus einem Berliner Möbelauktionshaus einen Schreibtisch besorgt. Es war ein großes Glück gewesen. Noch spätnachts hatte sie den Online-Katalog durchgeschaut und ihn dort entdeckt. Was für ein prächtiges Stück! Neoklassizistisch, wuchtig und doch formschön. Er war aus polierter Eiche, die Erbauer hatten geschickt mit der Maserung des Holzes gespielt und so geometrische Muster an den Seitenteilen und auf der Schreibtischoberfläche entstehen lassen. Ein Kunstwerk. Toni, die genau wusste, wie viel Georg von Holz verstand - schließlich hatte er seine ganze Kindheit in den bayerischen
Wäldern und im Sägewerk verbracht -, ahnte, dass Georg nicht anders konnte, als dieses Möbelstück in sein Herz zu schließen. Der hauchdünne Computermonitor und das italienische Schreibtischset, das Toni mal von einer Möbelmesse aus Italien mitgebracht hatte, harmonierten gut mit dem Neoklassizismus. Toni trat einen Schritt zurück, betrachtete Georgs Arbeitsplatz prüfend.
»Ist noch zu unpersönlich«, sagte sie dann und griff in eine Kiste. Bilderrahmen kamen zum Vorschein, kleine Tischbilderrahmen, nicht golden, sondern zurückhaltende Glasbilderrahmen. Eine kleine private Fotowelt entstand nun auf Georgs Schreibtisch, ganz dicht neben dem Monitor: das Hochzeitsbild aus Las Vegas, ein Foto aus dem Malaysia-Urlaub, ein Bild seiner Eltern vor deren Sägewerk. Der schönste, obwohl kleinste Tischrahmen enthielt ein Bild, das Georg im Holzfällerhemd mit Motorsäge im Wald zeigte. Nie, in seiner ganzen Laufbahn, hatte Georg Privatfotos in seinem Büro zugelassen. Toni würde das jetzt ändern. Währenddessen stellte Zlatko, der Parkettleger, noch einen kleinen Jungendstiltisch aus rötlichem Mahagoni an eine Wand, die neue Heimat für eine moderne, sehr unterkühlte Blumenvase, in der eine Lilie mit Gräsern stand.
Eigentlich hätte der Raum jetzt fertig sein können, er sah gekonnt aus in seiner Mischung von Alt und Neu. Die warmen Töne - das Oxfordgrün der Sessel, die rote Wand, der Parkettboden, das rötliche Mahagoni und die glänzende Eiche - taten dem Büro gut. Das Zimmer des zukünftigen Vorstandsvorsitzenden war sichtbar eingerichtet und doch nicht überladen. Frau Schurz wirkte einen Moment lang erleichtert, denn so ganz hatte sie die Unruhe nie verlassen. Toni hatte sie also nicht an der Nase herumgeführt. Doch Frau Schurz hatte sich zu früh gefreut. In diesem Moment durchquerte Margot das Vorzimmer. Sie signalisierte Frau Schurz mit einem Daumen-hoch-Zeichen,
dass alles perfekt lief. Dann war sie in Georgs Büro verschwunden.
»Mensch, Toni, das war jetzt echt nicht leicht, aber …« Mitten im Satz brach Margot ab. Sie schaute sich verwundert um.
»Ist das hier wirklich Georgs Büro?« Ein-, zweimal war Margot früher schon hier gewesen, um zusammen mit Toni irgendwelche Dinge, abzusprechen, die mit Abendeinladungen zu tun hatten.
»Ja.« Toni nickte.
»Ist ja nicht wiederzuerkennen.« Margot ging rüber zur Sitzgruppe und versank in einem der oxfordgrünen Sessel. »Sehr gemütlich«, sagte sie. Dann fiel ihr Blick auf den Schreibtisch. Sie sprang wie elektrisiert hoch und ging zu ihm hinüber. »Wie sich das Holz anfasst, unglaublich«, begann sie zu schwärmen. Margot bekam mit jedem Jahr der Zusammenarbeit mit Toni mehr Gefühl für Material und Qualität. Das gefiel ihr selbst, zu DDR-Zeiten
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