Der Liebespakt
zu geometrischen Form. Toni hatte immer einen Blick dafür gehabt, einen Raum nicht allzu kantig zu gestalten. Ihre Entwürfe - so wie der farbige Couchtisch aus Blech - hatten ab und zu mit floralen oder ornamentalen Elementen gespielt, was für Anhänger des heiligen Minimalismus schon an Verrat grenzte. An der taubengrauen Wand hing ein einziges Bild von einem japanischen Künstler, ein großer, mehr oder weniger runder, schwungvoller Kreis. Das Bild hatte einen starken Auftritt. Nichts in diesem Raum war dem Zufall überlassen, jeder Quadratmeter unter Kontrolle. Toni schüttelte verärgert den Kopf.
Es war Zeit, Georgs Büro aufzuwärmen. Schluss mit Kühle und Kontrolle. Sie würde dem Zimmer jetzt eine neue Handschrift geben. Ihre ganz persönliche, unvergessliche Handschrift, die sie in den letzten Tagen zu beherrschen begann.
Als Erstes verschwand der taubengraue Teppich. Dann verschwand das klinische Weiß unter einem wärmeren, fast sandfarbenen Ton. Die Wände waren in null Komma nichts überstrichen. Die Akzentwand blieb, aber sie färbte sich ochsenblutrot. Was für ein Rot! Schwer, warm, es nahm den Raum sofort in Besitz. Derweil legte Zlatko schon das Parkett, er kam aus Breslau, und noch nie hatte Toni mit einem so exakten Parkettleger zusammengearbeitet, der noch dazu ein atemberaubendes Tempo vorlegte. Frau Schurz steckte immer wieder den Kopf in den Raum und schüttelte verwundert den Kopf. Aus dem Flur hörte man jetzt Stimmen. Die Sekretärinnen der anderen Vorstandsmitglieder waren neugierig geworden und erkundigten sich diskret bei Frau Schurz, was hier los sei. Toni war sicher, dass beim Abschluss der Umdekorierung der halbe Vorstand sie besucht hatte. Das war wichtig. Es war Teil ihres Plans. Je mehr kamen, desto besser.
Georg war von seiner Sekretärin immer noch nicht in Schanghai angerufen worden. Damit hatte Toni nicht gerechnet. War es wirklich nur das Hermès-Tuch, das sie abhielt? Oder gefiel Frau Schurz, was hier geschah? Aber sogar wenn sie Georg angerufen hätte, was sollte der tun? Er saß zehn Flugstunden entfernt in Schanghai und wurde erst in drei Tagen zurückerwartet. Toni ging mit ihren Handwerkern zum Mittagessen. Danach waren die Fußleisten aus Tropenholz und die Umdekoration dran.
Tonis Handy blieb still. Georg wusste offenbar immer noch nichts. Aus einer Laune heraus rief sie erst Shirin und dann die Frau des Vorstandsvorsitzenden an. Letztere lud sie ein, am
Nachmittag vorbeizukommen, um sich das umgestaltete Büro anzuschauen. »Im Berlin Style. Wiederum ein Zitat des späten 19. Jahrhunderts, Berlins große Zeit, durchmischt mit modernen Elementen. Ich könnte mir vorstellen, dass es Ihnen gefällt. Wer weiß, vielleicht wäre es auch etwas für Ihren Mann.« Beate von Randow hatte ihr einen so begeisterten Dankesbrief nach der Abendeinladung geschrieben, dass Toni inzwischen fast vertraut mit ihr war. Gut so.
Als sie in Georgs Büro zurückkamen, fanden sie dort eine verstörte Frau Schurz vor, die nicht fassen konnte, wie anders der Eindruck war. »Das hier ist doch ein modernes Gebäude. Aber mit dem Parkett und der roten Wand - und jetzt noch Fußleisten.« Zlatko hatte schon wieder losgelegt, die dunkel gebeizten Leisten waren schon fast verschraubt. Sie sahen unglaublich elegant aus. »Es wirkt so warm, so würdevoll«, brach es aus Frau Schurz heraus. Das war also der Grund, warum Georg noch nicht alarmiert worden war. Nicht nur das Hermès-Tuch, auch die Umgestaltung gefiel ihr. Nun begannen Tonis Leute, die neuen Möbel einzuräumen. Die harten, eckigen Ledersessel wurden gegen weiche Clubsessel ausgetauscht, die mit oxfordgrünem Samt bezogen waren. Die Sessel waren zeitlos - sie waren zwar neu, hätten aber auch schon vor hundert Jahren in einem Berliner Salon wie dem von Maximiliane von Oriala stehen können, die unweit Georgs Büro in der Potsdamer Straße damals ihre Besucher empfangen hatte. Toni verzichtete auf einen Couchtisch, damit Georgs Büro weiterhin professionell wirkte, und stellte stattdessen zwei kleine biedermeierliche Beistelltische aus Nussbaum neben die Sessel. Zusammenhalt bekam die Sitzgruppe durch den Teppich, den Toni vorher auf das Parkett hatte legen lassen. Da Toni die besondere Mischung aus Alt und Neu beibehalten wollte, hatte sie sich für ein aktuelles Design entschieden. Es war eine teure Ware, eine Mischung aus
Neuseeland-Schurwolle und Leinen, die sich wunderbar anfasste, in einer zurückhaltenden Unifarbe.
Mit
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