Der Liebespakt
Auftritt seiner Frau nicht verhindert und damit seine Wahl zum Vorstandsvorsitzenden gründlich vermasselt habe.
Frau Schurz fühlte sich einmal mehr darin bestätigt, dass diese garstigen Ehefrauen ein Albtraum waren.
Normale Frauen gingen um kurz nach zehn Uhr morgens einem geregelten Beruf nach. Aber nicht diese Botoxziegen, die Zeit und Muße hatten, in aller Seelenruhe die Möbel des untreuen Ehemanns auszuräumen und mit Skandalen dessen Karriere zu zerstören. Frau Schurz hatte Toni eigentlich immer etwas anders eingeschätzt. Dass nun auch sie diese melodramatische Ich-mach-ihn-fertig-Nummer abzog, fand sie enttäuschend.
»Es tut mir leid, Ihr Gatte, Herr Jungbluth, ist leider heute nicht im Haus«, sagte sie kühl und verstellte, mit der Gießkanne bewaffnet, Toni und den Möbelpackern den Weg.
»Ich habe einen Anschlag auf Sie vor«, sagte Toni. Sie sah toll aus, das fiel sogar Frau Schurz auf, was allerdings nichts an ihrer eisern entschlossenen Miene änderte. Toni trug eine seerosengrüne Bluse, dazu eine schmal geschnittene beige Jeans und hohe Schuhe. »Dies ist eine Art Überfall«, sagte Toni. Ihr Haar war auch anders. Lockerer. Oder heller? Wie rotes Gold, dachte Frau Schurz. Noch immer zeigte sie keine Regung.
»Ich plane eine kolossale Überraschung für meinen Mann«, sagte Toni. Der Ton klang entschlossen. Die Möbelpacker hinter ihr wurden unruhig, sie wollten sichtlich loslegen.
Frau Schurz hatte jetzt nur einen Gedanken - ich muss meine Karriere retten. Wie konnte sie Toni zur Vernunft bringen? Die war doch nie so gewesen wie die anderen Ehefrauen. Kein Ladys’ Lunch mittags, keine Kosmetiktermine, Spa-Buchungen und Frisörgänge mehrmals die Woche. Diese hier hatte doch richtig gearbeitet, Frau Schurz hatte sie damals als junge Innendesignerin kennengelernt. Damals, als Toni zum ersten Mal Georgs Büro einrichtete. Die Sachen hineinschleppte, die sie jetzt offensichtlich hinausschleppen wollte. Mit so einer wie
Toni konnte man doch reden. Also tat sie etwas, was überhaupt nicht ihrer distanzierten Art entsprach, sie bat Toni zur Seite. »Auf ein Wort unter vier Augen«, sagte Frau Schurz diskret zu ihr, und um die Grenzüberschreitung perfekt zu machen, griff sie sogar sanft, aber energisch nach Tonis Arm und zog sie in eine andere Ecke des Raumes.
Toni war erstaunt über diese mütterliche Geste. Tatsächlich hatte Georg mal erwähnt, dass Frau Schurz einen erwachsenen Sohn hatte. Es hieß, ihr Mann sei früh verstorben, keine 38 Jahre alt. Eines Morgens fiel er auf dem Weg zum Frühstück um. Frau Schurz zog danach ihren Sohn alleine auf und heiratete nie wieder. Toni hatte kaum glauben können, dass diese Frau so einen Schicksalsschlag erlitten hatte, sie wirkte so kühl und kontrolliert und emotionslos. Wenn einer jungen Frau heutzutage so etwas zustieß, redete sie unentwegt darüber, besuchte Selbsthilfegruppen, manche schrieb sogar einen ergreifenden Erfahrungsbericht, der dann auf die Bestsellerliste schoss, weil alle mit ähnlichen Sorgen das Buch kauften, um noch besser darüber reden zu können. Von so einem Verhalten war Frau Schurz weit entfernt. Aber dieser kleine, entschiedene Griff nach ihrem Arm gab Toni zu denken. Diese Frau hatte ein Kind großgezogen, das merkte sie plötzlich.
»Auch wenn Sie Probleme in der Ehe haben, können Sie nicht so mir nichts, dir nichts das Büro Ihres Mannes ausräumen. Sie vernichten ihn damit. Seien Sie großherzig - rächen Sie sich bitte nicht an Ihrem Mann. Wenn Sie es möchten, versuche ich mal mit ihm zu reden. Vielleicht steht es um Ihre Ehe gar nicht so schlecht, wie Sie jetzt denken.« Aus Frau Schurz sprachen dreiundzwanzig Jahre Erfahrung mit den Ehefrauen ihrer Chefs, dreiundzwanzig Jahre voller Affären, Scheidungen - und Wiederverheiratungen. Sie wusste, wovon sie redete.
Es überraschte Toni nicht besonders, dass Frau Schurz über
die Affäre mit Karoline im Bilde war. Die Art, wie Frau Schurz sie zuletzt angeschaut hatte, wenn sie - sehr, sehr selten - in Georgs Büro kam: als hätte sie ein Zielkreuz auf der Stirn und sei zum Abschuss freigegeben. Als dann auch noch eines Tages Karoline zeitgleich ins Vorzimmer trat, angeblich nur, um Georg einen Sweater zu übergeben, den er nach einem gemeinsamen Grillabend beider Paare bei ihnen liegen gelassen hatte, da war spürbar, dass Karoline nicht wie die Partnerin irgendeines anderen Vorstandes behandelt wurde. Frau Schurz war extrem zuvorkommend gewesen. Gut, nun lagen
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