Der Liebespakt
geht’s morgens vor dem Spiegel schon zehn Minuten um die Frage: mit Einstecktuch oder ohne? Wie wirkt sich das Einstecktuch auf meine Karriere aus? Das da«, Frau Schurz zeigte auf Georgs umdekoriertes Zimmer, »wirkt sich aus, und zwar verheerend.«
»Sie unterschätzen mich, Frau Schurz. Randow soll sich nicht zu früh freuen, am Ende wird Georg dieses neue Büro unter seinen Erfolgen verbuchen. Lassen Sie mich machen, ich weiß, was ich tue. Also - was ist mit dem Terminkalender?«
Frau Schurz rang mit sich. Man sah es ihr an. Dann holte sie wortlos einen USB-Stick aus ihrer Schublade, rief die Datei »Termine« auf und kopierte die nächsten Monate.
»Ist auch Fußpflege eingetragen?«, fragte Toni, und sie merkte, wie es ihr bei dieser Frage den Hals zuschnürte.
Frau Schurz stutzte kurz. Das wusste diese Antonia Jungbluth also auch. Ihr Pech.
»Ich habe gerade aus Schanghai neue Termine für die Fußpflege hereinbekommen. Sie stehen schon in seinem Terminkalender«, antwortete Frau Schurz genüsslich. Sie wusste, sie tat Toni damit weh.
Die drohte für einen Moment die Fassung zu verlieren. Unglaublich, dachte sie, er hat seine Stelldicheins von der Sekretärin in den Planer eintragen lassen. Wann genau war Georg so
kaltschnäuzig geworden? Toni versuchte vor Frau Schurz bloß keine Schwäche zeigen. »Alle kurzfristigen Änderungen und Ergänzungen teilen Sie mir bitte per SMS mit. Sie haben ja meine Nummer.«
»Eine erste Änderung kann ich Ihnen sofort sagen: Er hat gesagt, er will Sie gleich nach seiner Landung in Tegel treffen. Sie sollen ihn abholen. Er sagt, wenn Sie nicht am Gate erscheinen, platzt der Deal. Was immer er damit meint.« Frau Schurz hatte, während sie redete, das Hermès-Tuch von der Tischplatte gerafft. Kurz sah es so aus, als wolle sie es Toni ins Gesicht pfeffern. Aber dann riss sie die unterste Schublade ihres Schreibtisches auf und begrub es achtlos darin. »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun. Wenn Herr Jungbluth nicht Vorsitzender wird oder ich nicht seine Sekretärin bleibe, dann schwöre ich, werden Sie mir das büßen.«
Was willst du machen - mir wutentbrannte Memos schreiben oder mein Auto mit Post-its zukleben?, dachte Toni. Aber sie sagte nichts, sondern ging wortlos. Noch drei Tage, dann traf Georg ein.
7
Georgs Flugzeug landete drei Tage später pünktlich in Berlin. Begünstigt durch seinen Platz in der First Class, verließ er als einer der Ersten die Maschine und ging danach schnellen Schrittes am Gepäckband vorbei, denn sein Koffer würde ihm später per Kurier an die Büroadresse geliefert werden. Frau Schurz hatte, wie jedes Mal, alles perfekt organisiert. Georg flog eigentlich nur noch auf Langstrecken mit Linienflugzeugen. Für die kurzen Distanzen innerhalb Europas charterte der Konzern für ihn Privatflugzeuge - solche, in denen sonst Promis wie Michael Schumacher oder Mick Jagger flogen. Denn die Zeit, die man auf einem Flughafen vertrödeln musste, bis alle eingecheckt hatten, bis die Maschine beladen war, alle Passagiere saßen und endlich die Starterlaubnis kam, war für ein wichtiges Mitglied eines internationalen Konzernvorstands zu lang. Ganz abgesehen davon, dass man auf Flugpläne Rücksicht nehmen musste. Die kleinen Chartermaschinen vom Typ »Gulf Stream« stellten sich ganz auf ihre VIP-Gäste ein, sie hoben nie ohne einen ab, und man kriegte auch nie am Schalter zu hören, der Check-in sei leider, leider schon seit drei Minuten geschlossen, daran sei nichts zu ändern. Nein, das war nichts für einen wie Georg. Aber auf Langstrecken verweigerte der Konzern inzwischen den Vorstandsmitgliedern die kleinen Maschinen. Die Kosten waren zu hoch geworden.
Trotz seines Zorns auf Toni hatte er in seinem zum Bett
ausfahrbaren First-Class-Sessel gut geschlafen. Das Essen war diesmal wirklich hervorragend gewesen, wie meistens auf den Asienstrecken. Dieser ganze asiatische Kram eignete sich einfach viel besser für das Essen in zwölf Kilometern Höhe. Fleisch, Pasta, das alles schmeckte fad weit oben in dünner Luft, genau wie der Wein. Es gab Weinsorten aus berühmten Anbaugebieten, von noch berühmteren Winzern, die im Flugzeug - nachdem der Flugkapitän mit seiner vertrauenerweckend sonor-männlichen Stimme verkündete hatte, man habe jetzt »die Flughöhe erreicht« - bitter und unangenehm schmeckten. Georg verzichtete inzwischen bei Transatlantikflügen völlig auf Alkohol. Solche Getränke räderten nur, stattdessen trank er zwei Liter
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