Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
Vom Netzwerk:
war ihr Sinn dafür nicht besonders geschärft worden. Nur ihre Kinderschlafanzüge aus kratzendem Präsent 20, einem synthetischen Stoff, den der deutsche Sozialismus in den 70er-Jahren hervorgebracht hatte, waren ihr in Erinnerung geblieben. Mit Schwung setzte sich Margot auf die große, leere Schreibtischplatte.
    »Hier drauf kann man unglaublich gut vögeln. So eine glatte Schreibtischfläche und gleichzeitig so stabil. Toni, Toni! Ich habe dich unterschätzt.« Margot grinste breit.
    »Daran habe ich ehrlich noch nicht gedacht. Aber jetzt, wo du es sagst … Sag mal, wann kommt denn jetzt das gute Stück?«
    »Einen Moment.« Margot legte Daumen und Zeigefinger zusammen und pfiff lautstark. Noch nie hatte man im Konzern einen solchen Pfiff gehört, der eigentlich ins Fußballstadion gehörte. Man hörte, wie Frau Schurz im Vorzimmer hochschreckte. Dann ging es los.

    Eine große Holzkiste wurde von zwei Möbelpackern hineingetragen, quadratisch, an den Seiten vernagelt. Solche Kisten sah man sonst nur in Filmen, die in der Vergangenheit spielten. Indiana Jones. Oder der mit dieser Mumie. Schon die Kiste war unheimlich. Als könnte sie noch irgendetwas verhindern, lief Frau Schurz hinter ihr her in Georgs Büro. Die Möbelpacker stellten die Kiste auf eine Arbeitsdecke und hebelten mit Schraubenziehern ihren Deckel ab. Sie griffen hinein.
    Noch in schützende Plastikfolie geschlagen, kam der präparierte Kopf eines Hirsches mit mächtigem Geweih zum Vorschein. Alle hielten die Luft an. So ein schönes, majestätisches Tier. Die Folie wurde von Geweih und Kopf gezogen, nun sah man, wie schön das kastanienbraune Fell glänzte. Das Geweih war an vielen Stellen glatt und hell, wer ein bisschen Ahnung hatte, wusste, dieser Hirsch hatte in seinem Leben viel gekämpft, bevor ihn ein Jäger mit einem gezielten Schuss erledigt hatte. »Was für ein Hirsch! Dem wäre ich nicht gern im Wald begegnet, so gewaltig, wie sein Geweih ist«, flüsterte Zlatko. Er traute sich nicht, die Worte laut zu sagen, denn die Stimmung im Raum war angespannt. Frau Schurz japste hörbar.
    »An die rote Wand«, befahl Toni. »Zentral.« Schon zückte Margot Zollstock und Bohrer, zwei Minuten später war der erste Dübel in der Wand. Toni sah im Augenwinkel, wie Frau Schurz hektische Flecken bekommen hatte. Dieser Hirsch an der Wand war ihr unheimlich. Er starrte in den Raum hinein, schien jeden der Anwesenden im Blick zu haben, und man war sich nicht sicher, ob er nicht im nächsten Moment den Kopf drehen würde, um mal aus dem Fenster zu schauen oder einen anzusprechen: »Na, Frau Schurz, wieder Ärger mit dem Chef?«
    Frau Schurz musste einräumen, dass das präparierte Tier, das förmlich aus der ochsenroten Wand zu brechen schien, hervorragend zu der ganzen Inneneinrichtung passte. Was für
ein Machtsymbol! Aber so - fremd, so ungewohnt in dieser schallgedämpften Welt, in der alle darauf bedacht waren, nur ja keinen Fehler zu machen, nur ja nicht aufzufallen. Schließlich befand man sich hier auf der Top-Etage eines globalen Konzerns und nicht in Highgrove, dem Schloss des englischen Kronprinzen Charles. Ein totes Tier im Raum eines Vorstandsvorsitzenden - das hatte es noch nie gegeben. Das war eine Revolution. Nein, viel schlimmer. Das war der Untergang.
    Frau Schurz riss sich vom Anblick los und ging schnurstracks zu ihrem Telefon ins Vorzimmer. Noch war Zeit, dieses Untier abzuhängen, ohne dass es von den anderen Vorstandsmitgliedern gesehen worden war. Man konnte dort ja einfach wieder dieses runde japanische Dings aufhängen. In ihrer Aufregung hatte Frau Schurz die Zeitumstellung vergessen, sie riss Georg, der in Schanghai gerade eingeschlafen war, um kurz nach Mitternacht aus dem Schlaf.
    Derweil hatte Toni ein Foto von dem Tierkopf auf rotem Grund gemacht und schickte dies nun per Handy an ihren Mann nach Asien. Die Nachricht dazu war kurz und lexikalisch: » Platzhirsch , stärkster Hirsch am Brunftplatz. Die Geliebte dabei (in Schanghai); die Ehefrau wartet brav (wie ein Schaf).
    PS: Verlange eine deutlich höhere Summe: Wie viel ist Dir mein Schweigen wert?
    Georg hatte die Foto-Nachricht wohl gerade empfangen, denn plötzlich schaute Frau Schurz hoch, suchte Tonis Blick, und es lag etwas darin, das Toni fast umhaute. Frau Schurz wandte sich wieder dem Telefon zu, versuchte wohl einige beruhigende Dinge zu Georg zu sagen und legte dann auf. Toni schlenderte zu ihr hinüber ins Vorzimmer.
    »Es wird ihm nach dem ersten Schreck

Weitere Kostenlose Bücher