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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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Lederoverall dem endlich wieder auf Touren gekommenen Helden rollenspielend hinzugeben. Diese liebe und nette, beliebte und berühmte Frau bürgte für eine hohe Einschaltquote, doch sie war Viktors Antityp, genau der Typ der deutschen Mädelmutti, der alles in ihm zum Ersterben brachte, und der knalligste Overall der Welt hätte nicht ausgereicht, um diese Frau in ein für Viktor begehrenswertes Wesen zu verwandeln. Er schwor, nie wieder ein Drehbuch zu schreiben. Zu Viktors Glück und zum Unglück des Produzenten saß das Busenwunder bei einem Rückflug von Hamburg direkt vor Viktor, der das nicht wußte, sondern seiner Sitznachbarin, einer rasanten türkischen Restaurantbesitzerin, gerade von seinen Verfilmungsquerelen erzählte und ihr verriet, welche Qualen ihm die Vorstellung bereite, sein Alter ego müsse diesen bei einem verblödeten Publikum so beliebten Rauschgoldengel auch nur anfassen. Sie hatte alles mitgehört und sich dann umgedreht und Viktor versichert, daß unter diesen Umständen nicht mehr mit ihr zu rechnen sei – und Viktor wollte sterben vor Scham.
    Nachdem der Produzent vier Millionen zusammengetrieben hatte und nur noch zwei Millionen fehlten, knüpfte ein letzter Geldgeber die Investition an die Bedingung, der Held müsse am Schluß als ein Geläuterter dastehen, der nach den Irrfahrten in den Schoß der Ehe zurückfinde, denn man könne dem Publikum als Hauptfigur keinen Mann zumuten, der sich nicht entwickle und am Ende aus den Fehlern nichts gelernt habe, Ehebruch im Film jederzeit, aber nur, wenn er zu besserer Einsicht führe.
    Viktor geriet außer sich. Dann lieber ein Film mit einem Dutzend blonder Sexbomben, schrie er, aber das nehme er nicht hin, das sei die blanke Umkehrung seiner Aussage. Der Produzent sagte: »Daß Sie das so ernst nehmen!« Der Regisseur sagte: »Wir drehen das mit einem Augenzwinkern.« Nur scheinbar werde der Held zur allein seligmachenden Monogamie bekehrt, der intelligente Zuschauer werde merken, daß er sein Unwesen weiter treiben würde. Dem sittenstrengen Geldgeber wurde dann eine vom Regisseur zurechtgemachte Fassung des Drehbuchs überreicht, an dessen Ende der korrigierte Ehemann an die Tür des ehelichen Schlafzimmers klopft und die Worte flötet: »Darf ich kommen, Schatz, ich liebe dich…« Regisseur und Hauptdarsteller schworen Viktor, diese Szene mit so deutlicher Ironie zu bringen, daß auch dem dümmsten Zuschauer klar werde: Dieser Mann lügt schon wieder. Das aber war Viktor auch nicht recht. »Lügen ist doch gar nicht lustig«, sagte er.
    Aber dann platzte das ganze Projekt, weil der Hauptdarsteller plötzlich zweien der Geldgeber nicht populär genug war, man bräuchte einen echten Publikumsliebling und keinen Typen, aus dem der Fernsehzuschauer letztlich nicht schlau werde, hieß es, und damit waren die Tage vorbei, an denen Viktor in der Business Class sitzend zwischen Hamburg und Zürich hin und her flog.

Die schönste Frau der Welt

    Viktor wurde scheu. Er ging nicht mehr gerne essen. Zu zweit, nur mit Ellen – das war ihm schon immer etwas zu traut, zu intim. Zu zweit essen gehen war das Privileg von Frischverliebten, fand er. Als Ehemann allein mit seiner Ehefrau in einem Restaurant zu sitzen, beklemme ihn, verkündete er. Nur nach Versöhnungen möglich.
    In seiner jetzigen Lage kam ein Essen mit Ellen schon deswegen nicht in Frage, weil er schweigsam sein würde und sie ihm zu Recht vorwerfen würde, daß er schwieg. »Wie so ein Ehemann«, würde sie sagen. Er würde denken: »Hättest du neulich mein Drehbuch gelesen, dann wüßtest du, was mich bedrückt und worüber ich wittgensteinisch schweige.« Was ihn nach wie vor bedrückte, war der Mangel an außerehelicher Erotik. Die Ehefrau war dafür nicht die richtige Gesprächspartnerin. Nicht einmal das, würde er sagen, weil er keine Lust auf Grundsatzgespräche und Stochern in Wunden hatte.
    Weil Viktor weniger essen ging, stopfte er sich zu Hause unbeherrscht mit Nüssen voll und war nun nicht mehr so dürr. Auch darunter litt er. Zwar paßten noch alle Hosen, aber sie schlotterten nicht mehr, wie er es gern hatte. Als wäre es ein Verdienst, war er auf seinen mageren Körper immer stolz gewesen. Alle hatten Gewichtsprobleme, nicht Viktor. Wenn Kritiker über seine Lesungen berichteten, gefiel es ihm, wenn sie ihn als »dünnen Dichter« beschrieben, noch mehr, wenn sie ihn als »hungrig« bezeichneten. Das war einmal. Er wirkte nicht mehr hungrig. Und er trat nur noch

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