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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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den Gatten, erlöst ihn aber noch lange nicht aus der Krise. Selma ließ Viktor auch vorkommen und leistete sich folgenden Schluß: Sie kommt mit der Strindberg-Collage nicht klar, die sie für das Theater zu machen hat. Viktor – das heißt Robert – hilft ihr. Er spendiert ihr den rettenden Regieeinfall: Das Strindberg-Horror-Ehepaar beziehungsweise dessen Darsteller müssen das ganze Stück über auf einem Tandem sitzen und vor sich hintreten. Das treibt den Haß aufeinander in ungeahnte Höhen. Dabei schreien sie sich zwei Stunden lang keuchend frauenverachtende und männerfeindliche Sätze zu. Der donnernde Erfolg der Premiere läßt Robert und Selma einander näherkommen. Selma verstößt ihre anderen Männer, und Viktor darf sie endlich lieben und tut das dann auch. Seine Frau Hella, das ist die Moral von der Geschichte, wird nie wieder einen Enterotisierungsversuch machen. Und Robert wird sich am Schluß doch ein verhaßtes Handy kaufen, damit seine künftigen Liebhaberinnen nicht wieder aus Versehen an seine Frau geraten, wenn sie sich nach dem Hotel erkundigen wollen.

    Viktor hatte das Drehbuch nicht nur deswegen schnell geschrieben, um mit seiner baldigen Abgabe möglichst rasch an das Honorar zu kommen, sondern auch, um es Ellen lesen zu lassen. Worüber man nicht reden kann, darüber muß man schreiben. Er konnte und wollte mit Ellen nicht über ihre gemeinsame Ehe reden, jetzt hatte er sein Schweigen gebrochen und darüber geschrieben. Es war eine Komödie, aber sie enthielt eine klare Botschaft: Die Ehe ist ein Witz – aber immer noch besser, als wenn sie eine Tragödie wäre.
    Er schickte das Buch nach Hamburg. Eine Kopie ließ er im Wohnzimmer herumliegen. Es gehörte zu den Goldmannschen Ehegesetzen, daß Ellen nie Einblick in entstehende Texte erhielt. Zur Strafe las sie auch die fertigen Bücher nicht oder ließ zumindest Viktor im unklaren darüber, ob und was sie gelesen hatte. Da sie von seinen Romanen her wußte, daß Fragen nach den Verflechtungen mit der Wirklichkeit nur sehr unbestimmte Antworten erbrachten, fragte sie nicht.
    Auch jetzt fragte sie nicht nach, und Viktor wußte nicht, ob sie das Drehbuch gelesen hatte. Er konnte sie nicht bitten, das zu tun, und er konnte sie nicht fragen, ob sie es getan hatte. Er legte unauffällige Haare zwischen die Seiten. Die Haare waren auch nach Tagen nicht verschwunden. Das war der Preis der Diskretion. Dieses Drehbuch war vor allem für Ellen geschrieben, es enthielt eine Karikatur seiner selbst und ihrer Ehe, die aber leicht zu entzerren war. Zwischendurch hatte er immer wieder Szenen eingebaut, in denen Ellen mit ihrer Freundin Barbara genannt Barbi, im Buch Hella mit ihrer Freundin Gabriele, genannt Gabi, im Schwimmbad ihre Bahnen zog und sich Verfeinerungen der Enterotisierungsstrategie ausdachte. Viktor hatte manchmal den Verdacht, die Frauen könnten gegen ihn Komplotte schmieden. Er hätte zu gern gewußt, ob an diesem Verdacht wirklich etwas dran war.
    Das Drehbuch enthielt auch eine Botschaft an Selma, das flüchtige Fräulein Strindberg. Einige Botschaften. Und diese Tandem-Sache war ein Regie-Einfall, der doch über das Drehbuch hinaus praktikabel war. Da mußte man doch reagieren. Er hatte ihr das Drehbuch doch zukommen lassen? Nichts. Keine Antwort. Viktor wünschte sich, daß der Film schneller fertig wäre als die Penner vom Theater mit ihrer seit Ewigkeiten geplanten Strindberg-Produktion. Dann hätte die Fiktion wieder einmal die lahmarschige Wirklichkeit überholt.
    Der Produzent wenigstens war begeistert. Er kam aus Hamburg angeflogen, lud das Ehepaar Ellen und Viktor Goldmann zum Essen ein und unterhielt sich mit beiden so offen, daß Viktor selbst zwischendurch den Eindruck hatte, alles in seinem Drehbuch sei nur blanke Erfindung. »Endlich«, sagte der Produzent, »endlich die intelligente, schnelle, erotische Komödie, die große Männerphantasie!« Er rieb sich die Hände. Viktor sah sich schon in Talkshows sitzen und mit Understatement Promotion machen.
    Es war eine Art Antrittsbesuch des Produzenten gewesen, er wollte, wie er sagte, Viktor und seine Frau damit nur auf die Veränderungen in Viktors Leben einstimmen. Er werde ihn nun ein Drehbuch nach dem anderen schreiben lassen. »Vier Drehbücher im Jahr, dann ist Ihr Mann in zwei Jahren Millionär, gnädige Frau«, sagte er zu Ellen.
    Anderntags flog Viktor mit ihm nach Köln. Die Leiterin der Fernsehfilmabteilung sei hingerissen, hieß es, ihr Sender wolle das Buch

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