Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
Vom Netzwerk:
daß die Frau, von der sie und Barbara behandelt würden, keine normale Krankengymnastin sei, sondern Osteopathie mache. Das klänge nach Telepathie und Psychiatrie, sagte Viktor.
    Ellen und Barbara schworen auf Osteopathie. Zwei Mal die Woche. Zahlt keine Kasse. Ein rasendes Geld, was da draufgeht. Aber alle Verspannungen – wie weggeblasen. Viktor verschwieg seine reaktionären Gedanken: daß diese modernen luxuriösen Frauen, kaum sitzen sie mal ein paar Stunden am Schreibtisch, sich gleich in Behandlung begeben müssen. Barbara, offenbar um Ellen zu unterstützen, schaltete sich ein: »Würde dir auch gut tun«, sagte sie zu Viktor, der natürlich antwortete: »Ohne Verspannung kann ich nicht schreiben. Entspannung ist das Ende der Literatur.« Ellen und Barbara rieten ihm, als nächstes Buch »Mein Krampf« zu schreiben.
    Dann begannen die Frauen wieder von dem Italienischkurs zu schwärmen. Der würde Viktor auf andere Gedanken bringen. Viktor, der immer noch unter seinem unliterarische Zustand litt, sagte, schade, daß er nie wieder einen Roman würde schreiben können, dann nämlich würde er sie darin in zwei Luxusweibchen verwandeln, die unentwegt etwas für ihren Körper und ihren Geist tun müßten. Das sei bereits manisch.
    Sie erinnerten ihn daran, daß sie berufstätige Frauen waren, und er sagte, dann würde er sie eben nicht in Luxusweibchen verwandeln, sondern in zwei unausstehliche Powerfrauen, die nur existieren könnten mit vollem Programm rund um die Uhr: Gymnastik, Schwimmen, Sprachkurs, Tennis – Kopf und Körper immer bestens trainiert.
    »Besser als rund um die Uhr immer nur in einer staubigen Schreibstube sitzen und nichts schreiben«, sagte Ellen. Viktor sei ein »poetischer Fachidiot auf der Suche nach Inspiration«, er erinnere sie zunehmend an den gekrümmten Rodinschen »Denker«, der wiederum so aussehe, als leide er an Verstopfung. Wenn sich Viktor schon nicht für sein Körpergestell und seine Körperhaltung interessiere, solle er wenigstens sein Italienisch verbessern. Immerhin seien sie fast jedes Jahr ein, zwei Wochen zu Gast in dem Haus von Thomas und Barbara in Italien, und es sei ein Trauerspiel, daß er seit Jahren nichts anderes sagen könne als den Satz: »A Milano il traffico è molto interessante.« Viktor sagte, er könne Hunderte von solchen Sätzen, und das reiche aus, denn der Vorteil des Nicht-perfekt-sprechen-Könnens sei ja, daß die Phrasenhaftigkeit des Lebens offenbar werde. Dieser Drang, möglichst gut Italienisch sprechen zu können, sei auch so eine Mode.
    Ellen überging Viktors ewige Einwände und fuhr unbeirrt fort, Penelope, die »tolle« und »zauberhafte« Italienischlehrerin, zu preisen. An Penelope hatte Viktor schon längere Zeit nicht mehr gedacht. Seinem gründlich enterotisierten Kopf war selbst diese Sehnsucht entglitten. Penelope, sagte Ellen zu Barbara, habe auf ihr Anraten nun auch einige Osteopathie-Stunden genommen, seitdem sei sie noch lockerer und strahlender und die Haltung ihres ohnehin schon so schönen schlanken Körpers sei nun geradezu »engelsgleich«, sie schwebe förmlich durch ihre Sprachschule, und Viktor, der doch immer vorgebe, etwas von schönen Frauen zu verstehen, sei ein Idiot, wenn er sich diesen Anblick entgehen lasse. Penelope sei so attraktiv, daß man bei ihr das Italienisch wie von selbst lerne.
    Ellen überkam manchmal die gar nicht zu ihr passende Anwandlung, zur Körperertüchtigung aufzurufen, und meist benutzte sie dann überschwenglich Penelope und ihre riskanten Hochgebirgstouren als leuchtendes Beispiel: »Wahnsinn, diese zähe Person«, braungebrannt sehe sie noch besser aus. Und deutlich an Viktors trostloses Dasein gerichtet: »Das ist keine Stubenhockerin. Du solltest dich auch mal bewegen!« Ellen sprach manchmal wie Ella. Wenn Ella es mit ihm ausgehalten hätte, wäre ihre Ehe jetzt vermutlich auch nicht viel anders als die mit Ellen. Also eigentlich ganz friedlich. Im Unterschied zu Ella konnte Ellen die Musik Wagners allerdings nicht ausstehen, das war ein Fortschritt. Wagner hieß die sagenhafte Italienischlehrerin – ein schöner Kontrast zu ihrem exklusiven Vornamen, der Viktor jetzt wieder aufhorchen ließ und in eine wohlvertraute Wallung brachte: Penelope.
    Bisher hatte er nicht mehr gewußt, als daß Penelope schön war und jung und mit unglaublich langen Wimpern gesegnet. Das hatte sich mit Hilfe der antiken Penelope spielerisch zu dem Bild einer idealen Gattin verdichtet, in deren Schoß

Weitere Kostenlose Bücher