Der Liebessalat
verfilmen. Die Leiterin war eine hübsche, angenehme Frau. Sie hatte nur einen Einwand: »Diese Hella im Buch braucht einen Beruf«, sagte sie. Der Witz sei doch, sagte Viktor, daß die Ehefrau aus existentieller Notwendigkeit gezwungen sei, diese seltsame Ehe zu tolerieren und ihrem Mann schließlich sogar mit neuen Geliebten zu entschädigen versuche, nachdem sie ihm die alten ausgespannt habe – das würde eine Frau mit einem Beruf vermutlich nicht tun. »Würden Sie es tun?« fragte er die Leiterin der Fernsehfilmabteilung. Sie schaute Viktor prüfend an und sagte dann: »Wenn ich ihn liebe – ja.« In diesem Augenblick wußte Viktor, daß in der Filmbranche ein noch viel größeres Durcheinander zwischen Fiktion und Wirklichkeit herrschte, daß der Wirrwarr zwischen gespielten und echten Gefühlen völlig unauflösbar war. Wenn er mit dieser Frau zu tun haben und mit ihr Abendessen gehen würde, wäre es ziemlich sicher unvermeidlich, mit ihr im Bett zu landen. Soviel war nach diesem Blick und dieser Antwort klar. Aber er liebte sie nicht. Es war noch immer keine Liebe in ihm. »Lassen sie diese Frau doch einfach Juristin sein«, sagte die Leiterin der Fernsehfilmabteilung, »sie brauchen das Geld nicht, aber es nervt sie, daß ihr Mann herumhängt und nichts tut, sie will keinen Hausmann und Versager, sie will wieder den erfolgreichen Schriftsteller, den sie geheiratet hat, das ist doch viel besser.«
Sie hatte recht. So war es besser. Sie war eine Powerfrau, sie mochte sein Buch, aber sie duldete keine müßiggängerischen Hausfrauen in der weiblichen Hauptrolle.
In den nächsten zwei Monaten flog Viktor fünf Mal nach Hamburg. Es tauchten Co-Produzenten auf, die alle ihre Wünsche hatten. Nachdem er aus Hella eine Juristin und sie damit Ellen noch ähnlicher gemacht hatte, bemängelte ein anderer potentieller Co-Produzent den Überschuß an Frauenrollen: Herr Goldmann möge bitte noch eine Männerrolle hineinschreiben. Kein Problem: Viktor formte aus dem echten Adrian, seinem dicken Geigerfreund einen dünnen Trompeterfreund namens Marcus. Ein anderer Geldgeber fand, Hella brauche einen Liebhaber, es gehe nicht an, daß diese Frau es diesem Scheusal von Mann nicht heimzahle. Kein Problem: Viktor schrieb die Rolle eines Soziologieprofessors aus Lyon in sein Buch.
Dann tauchte die Frage auf: Sex-Szene ja oder nein? Setzt man die Verfilmung dieses »so intelligenten und erotischen Drehbuchs«, wie es ständig hieß, zur besten abendlichen Sendezeit an, konnte man keine wüste Bettszene bringen, es sei denn, sie wäre als Phantasie kenntlich. Viktor schwante Furchtbares: Unscharfe Traumbilder mit Weichmusik wie in der billigsten Werbung. Um das abzuwehren, kam er mit einer Idee, die alle Interessenten in höchste Erregung versetzte: Als er mit Erstexehefrau Ella vor Hunderten von Jahren auf dem Motorrad durch Argentinien gefahren war und sie so jung und wild waren, daß sie drei Mal am Tag absteigen und vögeln mußten und es schade und auch sehr umständlich war, Ellas schöne lorbeerblattgrüne Motorradkombi jedesmal auszuziehen, hatten sie einfach im Schritt des Overalls ein geheime Öffnung angebracht, die ihnen auch vollständig bekleidet die Paarung erlaubte. Die Vorteile waren ungeheuer: es war fremd, es war tierisch, es war nicht kalt, es stachen einen keine Mücken auf den nackten Arsch, es war ein bißchen pervers – und es war quasi jugendfrei. Man mußte kein Versteck aufsuchen, die Penetration war unsichtbar, es sah äußerlich kaum anders aus als die heftige Knutscherei zweier exotischer Wesen. Man erregte kein öffentliches Ärgernis. An jedem Flußufer oder Straßenrand hatte man es auf diese Art miteinander treiben können, derart vermummt dürfte das Vögeln sogar auf strengem muselmanischem Gelände erlaubt sein, ohne daß das Liebespaar gleich von aufgebrachten Koranschülern gesteinigt wurde. Die bunten Lederhosen der Beauties, schlug Viktor vor, die dem Helden die erotischen Gefühle wieder zurückgeben sollten, könnten mühelos in edle Overalls verwandelt werden, in welchen dann auch im abendländischen Fernsehen zur besten Familiensendezeit Geschlechtsverkehr möglich sein müßte.
Diese Idee entzückte den Regisseur und den schon ausgesuchten männlichen Hauptdarsteller, dann aber gab es Ärger, weil der Produzent eine vollbusige und bei den Fernsehzuschauern beliebte Blondine als Hella auserkoren hatte, die auch schon ganz scharf darauf war, sich in einem bordeauxroten
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