Der Liebessalat
aussichtslos in eine unerreichbare Frau verliebt habe. Er beschimpfte sie wegen ihres Namens und ihres Aussehens: »Was fällt Ihnen ein, Penelope?« schrieb er, »so zu heißen und so auszusehen, das ist zuviel – gut, dafür können Sie nichts, aber für Ihre unglaublich aufrechte Haltung und ihre geraden Schulter können sie etwas. Penelope, hören Sie mich: Ich bitte Sie im Namen der Männer, die keine solchen Frauen haben wie sie eine sind, Frauen, die nicht das Glück haben, Penelope zu heißen und so auszusehen, sondern die Erika oder Gertrud heißen und Oberarme haben dick wie ein Brotleib – im Namen all dieser so grausam Benachteiligten bitte ich Sie, Penelope: Lassen Sie die Schultern hängen, gehen Sie schief und krumm daher wie ein Kräuterweib, damit der Neid und die Eifersucht derer, denen Ihr Anblick nicht erspart wurde, sich in Grenzen halten.«
Vor seinem Auftritt als DJ Goldmann in der Bongo Bar in Basel schickte Viktor ihr zwei Gästekarten, flehte sie an, seine exaltierten Briefstellen zu vergessen und einfach mit ihrem Freund zu kommen, er wäre schon glücklich, sie nur wiederzusehen. Er legte eine Skizze bei, mit deren Hilfe auch Ortsunkundige sich auf dem labyrinthischen Gelände ehemaliger pharmazeutischer Fabrikhallen zurechtfinden konnten.
Die Bongo Bar Basel war eine sympathisch heruntergekommene große Diskothek. Viktor würde von zehn Uhr bis Mitternacht als »DJ Goldmann« allein für Musik sorgen, danach im Wechsel mit einem anderen, einem professionellen Diskjockey, »DJ Remarkable«, mit bürgerlichem Namen Markus, der eine goldene Hose trug, aber Viktor vor allem damit imponierte, daß er ihn mit den Worten begrüßte: »Hi, du siehst aus, als würdest du heute abend die Frau deines Lebens erwarten.« Auf Viktors Nachfrage, ob das sein üblicher Gruß sei, schwor er, er habe das noch nie in seinem Leben zuvor zu irgendwem gesagt, und schlug Viktor solidarisch auf die Schulter: »Viel Glück!« Sie besprachen kurz das Konzept, dann machte sich Viktor mit der nicht unkomplizierten Technik vertraut, packte seine Platten und CDs aus und legte sie zurecht.
Als er am Boden herumkroch, um für seinen Kopfhörer ein passendes Verlängerungskabel zu suchen, bemerkte er neben sich einen Mann, der offenbar darauf wartete, ihm etwas zu sagen. Viktor richtete sich auf. Es war Penelopes Freund. So groß hatte er ihn nicht in Erinnerung. Der Freund lächelte arglos, aber manchmal lächeln Leute, ehe sie ihren Feinden die Faust ins Gesicht schlagen. Er griff in die Innentasche seiner Jacke, aber Viktor glaubte nicht wirklich, daß eine Pistole zum Vorschein käme, mit der er jetzt erschossen oder zumindest bedroht werden würde: »Du mieses Schwein läßt meine Penelope mit deinen dreckigen Briefen in Ruhe, sonst ist es aus!« Statt einer Waffe zog er ein schönes dunkelgrünes Kuvert hervor und überreichte es Viktor mit den Worten: »Das soll ich Ihnen von Lopi geben, sie kann leider nicht kommen.« Das grüne Kuvert war nicht verschlossen, der Typ sah so aus, als wisse er über Viktors Briefe an Penelope Bescheid.
»Ich hatte erwartet, Sie würden mir ein Messer zwischen die Rippen stechen«, sagte Viktor,
Penelopes Freund lachte. »Ach was«, sagte er, »wir haben viel Spaß daran. Ihre Briefe mit den vielen Bedenken, ob es uns lästig werden könnte, waren auch sehr witzig zu lesen, aber nötig wären sie nicht gewesen.« Er hob die Hand zum Gruß, und mit den Worten »viel Erfolg heute Abend, ich freu mich schon« sprang er vom Podium.
Ein Messer zwischen den Rippen wäre Viktor lieber gewesen. Eine Penelope, die in seinen Briefen die gleich hinter den Witzen notdürftig versteckte Liebe sofort entdeckt und erwidert und ihren Freund in Rage bringt, eine Penelope, die den schwer verletzten Viktor am Krankenbett besucht, ihre Hand auf seine Stirn legt und seine sofortige Gesundung mit den leise geflüsterten Worten herbeiführt: »Ich habe ihn verlassen!«– eine solche Penelope wäre ihm lieber als eine, die sich zusammen mit ihrem Freund über die Balztänze eines alten verliebten Bocks amüsiert. »Lopi«, nannte er sie.
In dem unverschlossenen grünen Kuvert steckte ein orangefarbenes Blatt, mit dem sich Viktor jetzt in eine Backstage-Rumpelkammer zurückzog. Sie bedankte sich für seine Briefe und dafür, daß er sie »Penelope« nenne und den Namen ausschreibe. Es gäbe Menschen, die »Lopi« zu ihr sagten. Das könne sie nicht ausstehen. »Grausam, eine Vergewaltigung meiner
Weitere Kostenlose Bücher