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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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aus dem eindrucksvoll hervorging, daß gegen Hochwasser, Feuersbrünste, Kopf- und Zahnschmerzen und gegen Ungeziefer etwas getan werden könne, nur gegen die Liebe nicht – ein Song, mit dem einer seiner Romanhelden das Herz seiner widerspenstigen Heldin gewinnt.
    Anderntags drückte er Ellen ein Kuvert in die Hand, das die Kassetten und den langen kleingedruckten Brief enthielt.
    »Antilope Penelope, gazzella delle alpi«, stand auf dem Kuvert. »Ganz schön kitschig«, sagte Ellen.
    »Nur der Kitsch kann uns retten«, sagte Viktor.
    »Wenn ich mir überlege, daß du seit einem halben Jahr den Handtuchständer im Bad festschrauben willst…«, sagte Ellen.
    Viktor unterdrückte eine in seinen Romanen schon oft genug geschriebene giftige Ehemann-Antwort auf diese giftige Ehefrau-Bemerkung und schraubte den Handtuchhalter fest, als Ellen gegangen war. Dann zog es ihn wieder an den Schreibtisch. Er wollte Penelope nahe sein, und das war im Augenblick nur schreibend möglich. Er las erstmals den endlosen Brief durch, der nun an sie unterwegs war und erschrak vor seiner eigenen Offenheit, vor der Dreistigkeit auch, mit der er Penelopes Freund entweder ignoriert oder in Basel in einem Duell leichthin aus dem Weg geräumt hatte. Dreist war auch, daß er Ellen als Postillon d’amour benutzte, aber sie war oft genug so unverschämt zu ihm, daß ihr das zuzumuten war. Würde Viktor Unterricht nehmen und Ellen wäre in den schönen jungen Lehrer verknallt, er würde schließlich auch ohne zu murren ihre Botschaften überbringen.
    Diese Einblicke teilte er Penelope in einem zweiten Brief mit, den er sofort begann. Er wolle keine Rückzieher machen, schrieb er, aber sein erster Brief sei etwas unkontrolliert und stürmisch gewesen, er habe schon so lange keinen Liebesbrief mehr geschrieben und das Taktieren verlernt, er fürchte, es sich bei ihr verscherzt zu haben, nun werde sie nicht nach Basel kommen, er selbst sei Schuld daran. Er beschimpfte sich selbst als wandelnde Zumutung: wie komme er dazu, sie derart zu belästigen, andererseits – wenn sie so gut aussehe und so strahle und so aufrecht dastehe, sei sie selbst schuld, wenn man sie anschwärme. Er verfluchte den Altersunterschied, wäre er jünger, würde er versuchen, ihren Freund auszubooten, dann pries er sein Alter wieder, weil er eben das nicht tun könne. »Was will ich von Ihnen?« schrieb er und beließ es nicht bei der rhetorischen Frage eines unglücklichen Verliebten, sondern weihte sie in die Grundgesetze seiner Polygamievorstellungen ein, wonach er nicht nur mit ihrer imaginären Begleitung in den Bergen herumspazieren wolle, sondern in ihrer leibhaftigen. Wie ein alter geiler Steinbock werde er der alpinen Gazelle hinterher steigen und ihr hinterherpfeifen, falls Steinböcke pfeifen könnten. Auf einem sonnigen Felsvorsprung würde er sich gern zu ihr legen, ihre grazilen Beine und ihre feinen Hufe bewundern, ihr eine Gazellenlaus aus dem seidigen Fell klauben und sie fragen, ob sie sich vorstellen könne, mit ihrem hübschen jungen Gazellenmaul seine alte Steinbockschnauze zu küssen, schließlich seien sie beide alpine Paarhufer und gehörten irgendwie zusammen. Er schrieb ihr, daß in der Welt, in der sich Gemsen und Berg-Gazellen und Steinböcke aufhalten, andere Gesetze gelten als im spießigen Tal, dessen Konventionen ihn einen Scheißdreck scherten. Ab einer gewissen Bergeshöhe seien die bürgerlichen Gesetze außer Kraft. Die idiotische Alternative der Besitzdenker »Er oder ich« oder »Sie oder ich« habe genug Unheil über die Menschheit gebracht, er habe sich daran noch nie gehalten. Wenn ihr seine Ideen zuwider seien, möge sie ihm das bitte mitteilen, ansonsten hoffe er inbrünstig, wie nur ein behornter Steinbock hoffen könne, daß sie nach Basel in die Bongo Bar komme, um dort den Tanz der alpinen Gazelle und der Bergantilope zu tanzen. »Sie müssen kommen, Penelope, ich werde wahnsinnig, wenn ich nicht wenigstens mit Ihnen tanzen kann!« Er werde sich die Freiheit nehmen, zu später Stunde als Steinbock hinzuzuspringen und mit seinen Hufen den Boden um sie herum zu bearbeiten.
    Diesen Brief schickte er per Post, und es folgten weitere, denn er schrieb unentwegt. Kaum war etwas gedacht oder empfunden, stand es auch schon geschrieben. Er schrieb ihr drängend, ungestüm und bockig, dann wieder verlegen und voller Skrupel, er bezichtigte sich als Pfau und selbstherrlichen Gockel oder auch als Unglücksraben, weil er sich so

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