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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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konzentriert, interessiert. Man teilte seine Zeit besser ein, arbeitete schneller weg, was wegzuarbeiten war, man sprach besser Englisch, Französisch und Spanisch – es gelang einem sogar mit perfekten italienischen Sätzen die Leute auf den Arm zu nehmen, die beim Italiener immer glaubten, italienisch reden zu müssen.
    Vielleicht ist es nur die Sehnsucht, ab und zu ein besserer Mensch zu sein, die einen in die Arme anderer Frauen treibt, dachte Viktor und notierte sich den Satz, den er so ähnlich schon Dutzende Male notiert hatte – nur wo? Er steckte den Zettel ins Portemonnaie. Denn diese Frage durfte nicht wieder untergehen. Sie mußte mit Ellen und Ira und Susanne besprochen werden. Nicht mit der Tscherkessin. Die Sache mit ihr war noch zu frisch. Die Affaire hatte noch nicht einmal begonnen, es gab bisher nur Signale und erste Annäherungsversuche. In diesem Zustand, in dieser Phase, die vielleicht die aufregendste überhaupt war, waren Spekulationen über die nüchternen Ursprünge der Liebe unangebracht.
    Es gab keinen Mangel an Frauen in Viktors Leben, und doch fehlte ihm jetzt die richtige. Es fiel ihm ein, daß er sich in den letzten Tagen zu wenig nach der Nasenring-Tina gesehnt hatte, und augenblicklich beherrschte diese ihn völlig. Für sie würde er am liebsten und schnellsten die Wohnung in Ordnung bringen. Schon sah er vor sich, wie sie anstandslos seinem Lockruf folgen, nach einem Drink malerisch aus dem Fenster sehen und sich von ihm beobachten lassen würde. Wie ihrem Rücken anzusehen wäre, daß sie sein Näherkommen erwartete. Schon fühlte er, wie er sich vom Sofa erheben und auf sie zugehen würde, diese kostbaren, unvergleichlichen letzten Sekunden, ehe sich die längst schon aufgebaute Erotik in handfeste Sexualität verwandelt, gleich würde sie sich umdrehen und die Dinge würden ihren Lauf nehmen. Dieses Sichumdrehen – man müßte dieser Figur im Liebeslauf der Paare einen Namen geben, fand Viktor. Zu Ehren seiner Erstexehefrau Ella würde er fortan der klassischen hundertachtzig-Grad-Drehung einer Frau, die ihre echten oder gespielten Bedenken beiseite wirft, den Namen »Ella Todenhöver« geben. Das war Ellas Mädchenname, hervorragend als Bezeichnung für den Kunstlauf der Liebe geeignet. So wie beim Eislauf sich eine Figur »Doppelter Rittberger« nannte, so würde er fortan die Drehung einer zur Liebe entschlossenen Frau den »einfachen Todenhöver« nennen. Ella hatte einst so auf sein Herankommen gewartet und sich ihm dann plötzlich zugewendet. Andere Frauen auch. Auch Ira. Ein wunderbares Klischee, das die Körpersprache der Liebe immer wieder bereitstellte. Viktor sah und fühlte die Nasenring-Tina überdeutlich, wie sie den »einfachen Ella-Todenhöver« ausführen würde. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es wäre, mit ihr zu vögeln, aber sehr wohl hatte er das Bild plastisch vor Augen, wie er nach ihrem Verschwinden die verräterischen mittelblonden Haare im Bad zusammenklauben würde.
    Sofort rief er sie an. Vielleicht war sie früher aus Hamburg abgereist und wieder in Luzern. Luzern war keine Stunde entfernt. Zwar hatte er nicht drängeln, sondern abwarten wollen, aber die Gelegenheit war zu günstig. Ihre Stimme war charmanter, als er sie in Erinnerung hatte. Sie kam vom Band. Zum Küssen der schweizerische Singsang. Viktor rief gleich noch einmal an, um sich das anzuhören: »Bettina hier. Ich bin eine Weile weg. Hinterlaßt eine Nachricht, wollt ihr?«
    Viktor fiel nicht Adäquates ein. Er verschob seine Nachricht und rief bei Susanne an. Jetzt doch. »Schade, daß es mit Köln nicht geklappt hat«, sagte sie. Er war froh, daß es nicht wirklich bedauernd klang, und notierte noch beim Telefonieren die Sentenz: »Das Gleichgewicht der Gleichgültigkeit war die Vorraussetzung dieser Nebenliebschaft.« Wenn er ein schnurloses Telefon gehabt hätte, dann hätte er den Zettel mit diesem Satz noch während des Telefongesprächs ins Gästezimmer zu seinem Bestimmungs-Bügelbrett gebracht. Ein bißchen Lust auf Susanne war da. Vielleicht war es sogar gerade ihr fehlendes Bedauern, das ihn anzog, ihre sexuelle Kumpelhaftigkeit. Wenn sie erst hier wäre, würde aus dem bißchen Lust ein bißchen mehr Lust werden. Viktor konnte ihr aber nicht direkt mitteilen, daß Ellen verreist war, das wäre plump gewesen. Er sagte daher: »Komisch, daß ich überhaupt nicht eifersüchtig bin. Ellen ist in Kopenhagen, mit Barbara, ruft mich an und verlängert ihre Reise einfach um

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