Der Liebesschwur
unbestimmbaren Alters, Minnies ergebene Begleiterin. Mit dem Wort »alle«, das wusste Vane, meinte sie die Cynsters. »Die jungen Leute gedeihen prächtig – Simon fängt in Eaton an. Amelia und Amanda sind auf dem Weg in die gehobene Gesellschaft und hinterlassen gebrochene Herzen rechts und links des Weges. Den älteren Mitgliedern der Familie geht es allen gut, sie sind in der Stadt beschäftigt, aber Devil und Honoria sind noch immer auf dem Landsitz.«
»Ich wette, er ist zu sehr damit beschäftigt, seinen Erben zu bewundern. Ich würde behaupten, seine Frau wird ihn schon an der Kandare halten.« Minnie grinste, doch dann wurde sie wieder ernst. »Hast du noch immer nichts von Charles gehört?«
Vanes Gesicht verhärtete sich. »Nein. Sein Verschwinden bleibt ein Geheimnis.«
Minnie schüttelte den Kopf. »Der arme Arthur.«
»In der Tat.«
Minnie seufzte, dann warf sie Vane einen berechnenden Blick zu. »Und was ist mit dir und mit deinen Cousins? Haltet ihr noch immer die Damen der gehobenen Gesellschaft in Atem?«
Der Ton von Timms Stimme war unschuldig, sie hatte den Kopf über ihr Strickzeug gebeugt und schnaufte ein wenig. »Wohl eher auf dem Rücken.«
Vane lächelte charmant. »Wir tun unser Bestes.« Minnies Augen blitzten. Noch immer lächelnd, blickte Vane auf sie hinunter und strich sich dann den Ärmel seiner Jacke glatt. »Ich werde besser gehen und mich umziehen, aber sage mir – wer ist im Augenblick alles hier?«
Minnie lachte leise und zog die Hände unter ihrem Schal hervor. »Mal sehen.« Sie zählte an den Fingern ab. »Da ist zunächst einmal Edith Swithins – sie ist eine entfernte Bekannte der Bellamys. Äußerst vage, aber ziemlich harmlos. Du darfst nur kein Interesse zeigen an ihrer Spitzenarbeit, es sei denn, du hast eine Stunde Zeit. Dann ist da noch Agatha Chadwick – sie war verheiratet mit diesem unglücklichen Kerl, der darauf bestand, die Irische See in einem Boot aus überzogenem Flechtwerk zu überqueren. Natürlich schaffte er es nicht. Also ist Agatha mit ihrem Sohn und ihrer Tochter bei uns.«
»Tochter?«
Minnie sah in Vanes Gesicht. »Angela. Sie ist sechzehn und schon jetzt verblüht. Sie wird ohnmächtig in deine Arme sinken, wenn du ihr die Möglichkeit dazu gibst.«
Vane verzog das Gesicht. »Danke für die Warnung.«
»Henry Chadwick muss ungefähr in deinem Alter sein«, dachte Minnie laut nach. »Aber er ist ganz und gar nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt.« Ihr Blick glitt anerkennend über Vanes elegante Gestalt, seine langen, muskulösen Beine, die in der engen Wildlederhose und den Stiefeln sehr gut zur Geltung kamen, dazu trug er einen ausgezeichnet geschneiderten Rock aus superfeinem Bath-Stoff, der seine breiten Schultern hervorhob. »Dich nur anzusehen, wird ihm gut tun.«
Vane zog die Augenbrauen hoch.
»Also, wer ist sonst noch hier?« Minnie runzelte die Stirn, während sie auf ihre Finger blickte. »Edmond Montrose ist unser Poet und Dramatiker. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass er von sich glaubt, der neue Byron zu sein. Und dann sind da noch der General und Edgar, an den du dich eigentlich erinnern solltest.«
Vane nickte. Der General, ein schroffes ehemaliges Mitglied des Militärs, lebte schon seit Jahren in Bellamy Hall. Sein Titel war nicht echt, es war eher ein Spitzname, den er wegen seines energisch militärischen Benehmens bekommen hatte. Auch Edgar Polinbrooke lebte schon seit Jahren bei Minnie – Vane glaubte, dass Edgar in den Fünfzigern war, ein leichter Schluckspecht, der sich einbildete, ein Spieler zu sein, doch der in Wirklichkeit eine schlichte und harmlose Seele war.
»Vergiss Whitticombe nicht«, meldete sich Timms.
»Wie konnte ich nur Whitticombe vergessen.« Minnie seufzte. »Oder Alice.«
Vane zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Mr. Whitticombe Colby und seine Schwester Alice«, erklärte Minnie. »Sie sind entfernte Cousins von Humphrey. Whitticombe hat eine Ausbildung zum Diakon gemacht und hat sich in den Kopf gesetzt, die Geschichte der Coldchurch-Abtei zusammenzutragen.« Coldchurch war die Klosterkirche, auf deren Ruinen Bellamy Hall stand.
»Und Alice – nun ja, sie ist einfach nur Alice.« Minnie verzog das Gesicht. »Sie muss schon über vierzig sein, und obwohl ich das nicht gern von einem Menschen meines Geschlechtes behaupte, so habe ich doch noch nie einen Menschen kennen gelernt, der kälter, intoleranter und abwertender ist als sie.«
Vanes Augenbrauen zogen sich noch höher
Weitere Kostenlose Bücher