Der Liebhaber meines Mannes
redete mir ein, dass es jeden zweiten Samstag ein bisschen besser wurde. Ich hatte sogar angefangen, jeden Monat auf Anzeichen für eine Schwangerschaft zu achten, und wenn meine Periode nur einen Tag verspätet war, wurde ich ganz übermütig vor Aufregung. Aber Tom machte immer das Licht aus und sein Kopf war gewöhnlich in meiner Schulter vergraben, sodass es unmöglich für mich war, seinen Gesichtsausdruck in unseren intimsten Momenten zu sehen.
Ich hielt an dem wachsenden Ärger über diese Ungerechtigkeit fest. Gerade als Tom nach einem Keks langte, brachte ich die Worte über die Lippen.
»Julia hat heute etwas über Patrick gesagt.«
Ich hatte es nicht fertiggebracht, »Schreckliches« zu sagen. Es war wie an meinem ersten Tag in St. Luke, als meine Stimme vollkommen losgelöst von meinem Körper schien. Sie muss gezittert haben, denn Tom legte seinen Keks wieder hin und sah mich prüfend an. Ich blinzelte zurück, versuchte, nicht die Nerven zu verlieren, und er fragte sehr gelassen: »Kennt sie ihn?«
Er war so ruhig, Patrick. Das war nicht die Antwort, die ich erwartet hatte, sofern ich überhaupt etwas erwartet hatte. Ich hattemir vage vorgestellt, dass Tom sofort mit Ablehnung oder zumindest mit Abwehr reagieren würde. Stattdessen nahm er einen Löffel, begann, in seinem Tee zu rühren, und wartete auf meine Antwort.
»Sie hat ihn kennengelernt. Auf unserer Hochzeit.«
Tom nickte. »Also kennt sie ihn nicht.«
Dieser Erklärung konnte ich nicht widersprechen. Es war, als hätte er mich, sanft, aber fest, zur Seite geschlagen. Ich wusste nicht, wie ich weitermachen sollte, und starrte aus dem Fenster. Wenn ich meinen Mann nicht ansah, könnte ich vielleicht an meiner Wut festhalten. Vielleicht könnte ich sogar mein rothaariges Temperament von der Leine lassen. Vielleicht kam der Kampf, den ich wollte, auf mich zu.
Nach einer Weile legte Tom seinen Teelöffel klappernd auf die Untertasse und fragte: »Also, was hat sie gesagt?«
Immer noch aus dem Fenster blickend, sagte ich ein bisschen lauter: »Dass er –
comme ça
wäre.«
Tom schnaubte kurz höhnisch, ein Geräusch, das ich bei ihm noch nie gehört hatte. Es war ein Geräusch, das du vielleicht gemacht hättest, Patrick, über eine besonders dumme Bemerkung. Aber als ich meinen Mann ansah, sah ich wieder den Ausdruck, den er oben auf der Rutschbahn hatte: Die Wangen waren ganz blass, der Mund verzerrt und die großen Augen starr auf meine gerichtet. Einen Moment sah er so schwach aus, dass ich wünschte, ich hätte nichts gesagt; ich wollte die Hand ausstrecken und seine nehmen und ihm sagen, dass es nur ein alberner Scherz oder ein Missverständnis war. Aber dann schluckte er und schien plötzlich seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bringen. Er stand auf und fragte mit lauter, fester Stimme nach: »Was soll das bedeuten?«
»Das weißt du«, sagte ich.
»Nein.«
Wir hielten beide dem Blick des andern stand. Ich kam mir vorwie ein Verdächtiger in einem Kreuzverhör. Ich wusste, dass er in letzter Zeit bei einigen dabei gewesen war.
»Sag es mir, Marion. Was bedeutet das?«
Die Kälte in Toms Stimme ließ meine Hände zittern und ich presste die Zähne aufeinander. Ich sah, wie mir alles, was ich hatte, entglitt: mein Ehemann, mein Zuhause, die Aussicht auf eine Familie. Ich wusste, er könnte mir alles in einem Augenblick wegnehmen.
»Was bedeutet es, Marion?«
Ich richtete den Blick auf das verhasste senffarbene Tischtuch und brachte heraus: »Dass er ein – ein Homosexueller ist.«
Ich machte mich auf einen Wutausbruch gefasst, dass Tom seine Tasse gegen die Wand werfen oder den Tisch umkippen würde. Stattdessen lachte er. Nicht sein lautes Tom-Lachen. Dies klang eher müde, als ließe jemand lange aufgestaute Bitterkeit heraus. »Das ist lächerlich«, sagte er. »Vollkommen lächerlich.«
Ich sah nicht auf.
»Sie kennt ihn nicht einmal. Wie kann sie so etwas sagen?«
Ich hatte keine Antwort.
»Wenn du Homosexuelle, wie du sie nennst, sehen willst, zeige ich dir welche, Marion. Sie werden jede Woche auf die Wache gebracht. Sie haben Rouge und so was im Gesicht. Und tragen Schmuck. Es ist lächerlich. Und sie haben diesen Gang. Du kannst sie auf zwei Kilometer Entfernung erkennen. Die Sitte nimmt genau die immer wieder fest. Der neue Chef will, dass wir die Straßen von den Typen säubern. Er redet ständig davon. Die Sitte schnappt sie auf der Herrentoilette von Plummer Rodis, wusstest du das?«
»In
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