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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Zeitungsausschnitt, über die Verhaftung des Druckers wegen der Flugblätter auch. Der Ring passt ganz gut da rein. So ein bisschen kennen wir unsere Figuren ja schon, nicht?«
    »Genau. Und jetzt, meine Lieben, meine neueste Zutat zum Gelingen der Geschichte.«
    Ich holte das Samtbeutelchen aus der Tasche und öffnete es langsam und mit gebührender Dramatik.
    »Wow!«, stieß Cilly aus.
    »Wahnsinn!«, hauchte Rose. »War der bei den Sachen, die du gefunden hast?«
    »Ja, dieser Ring war bei den Tagebüchern. Unser dritter Ring.«
    »Steht in den Büchern etwas über ihn?«
    »Hilfe, Cilly. Ich habe die Bücher nicht mal aufgeschlagen.«
    »Ja, aber... Was hast du denn den ganzen Tag getan?«
    Ich seufzte tief.
    »Da war noch mehr in dem Koffer als nur die Tagebücher und alte Urkunden. Julian hat ein Bündel Briefe mit hineingelegt. Rose, meine Mutter hat mit ihrem verrückten Verdacht, dass Julian eine Geliebte hatte, nicht ganz Unrecht gehabt.«
    »Oh. Also doch? Liebesbriefe?«
    »So etwas Ähnliches. Es scheint sich um eine jahrelange Brieffreundschaft gehandelt zu haben, aber eine, die von tiefem Vertrauen und Zuneigung geprägt war. Er hat dieser Frau sogar von dir berichtet.«
    »Wer ist es?«
    »Sie unterschreibt nicht mit ihrem Namen.«
    »Kann ich die Briefe auch einsehen?«

    »Ich habe sie nicht mitgenommen. Aber im Grunde spricht, glaube ich, nichts dagegen.« Ich streckte mich und gähnte. »Wenn ich morgen pünktlich zum Scherbensieben in die Werkstatt kommen soll, dann werde ich jetzt besser nach Hause fahren. Ich bringe dir die Briefe mit.«
    »Ja, ist in Ordnung. Aber du, sag mal...«
    »Ja?«
    »Hast du den Ring schon mal angezogen?«
    »Ich habe mich bisher nicht getraut.«
    »Willst du es jetzt tun?«
    »Soll ich?«
    Cilly und Rose sahen mich erwartungsvoll an und nickten beide.
    »Na gut. Ich wage es mit euch zusammen.«
    Mit großer Behutsamkeit nahm ich den delikat gearbeiteten Lilienring in die Finger, spürte ein feines Kribbeln und steckte ihn dann langsam an den rechten Ringfinger.
    Mit stillem Glück betrachtete ich ihn. Endlich, der Kreis hatte sich geschlossen. Das massive Metall glänzte warm, schwer umfing der goldene Ring meinen Finger. Aus einzelnen Stäbchen schien er gefertigt, die alle nebeneinander lagen und oben und unten in kleinen Kügelchen endeten. Zierlich war er nicht, er wirkte sogar ein wenig barbarisch, dieser Ring …
    Wieso barbarisch? Es war eine der feinsten Juwelierarbeiten, die ich je gesehen hatte.
    »Anita?«
    Ich zog ihn vom Finger.
    »Rose, ich habe einen ganz anderen Ring an meiner Hand gesehen!«
    »Was für einen?«
    Ich beschrieb ihn ihr, und sie sah mich verwundert an.

    »Das kommt mir bekannt vor. Aber ich kann mich nicht erinnern, woher.«
    »Mir kam der andere auch vertraut vor, viel vertrauter als dieser hier. Seltsam.«
    »Wir werden schon noch eine Erklärung finden. Es gab bisher für alles eine Erklärung.«
    »Ja. Warten wir es ab. Aber jetzt gute Nacht, meine Hübschen. Ich brauche meinen Schönheitsschlaf.«
     
    Am nächsten Morgen besuchte uns Kommissarin Frederika in der Werkstatt. Sie hatte noch ein paar Fragen an Rose, die Licht in ihr Verhältnis zu Julian bringen sollten. Vor allem war sie darauf gestoßen, dass wir beide derzeit von dem posthumen Ruhm unseres Vaters profitierten. Nach seinem Tod waren seine alten Aufnahmen häufig wieder in den Musiksendungen gespielt worden, ein Album mit seinen besten Liedern war auf den Markt gekommen, und die Tantiemen-Abrechnung, die mir im April ins Haus geflattert kam, war nicht unerheblich. Ich war ganz dankbar darum, weil ich durch diese zusätzliche Einnahme nicht mein Kapital angreifen musste. Auch Rose hatte erleichtert von Investitionen gesprochen, die ihr die Arbeit erleichtern würden. Die misstrauische Ermittlerin sah darin die Todsünde der Habgier, eines der häufigsten Motive, einen Mord zu begehen. Und irgendwie unterstellte sie mir, trotz Roses Beteuerungen, nach wie vor, ich hätte ein Auge auf den Anteil meiner Schwester geworfen und versucht, sie unauffällig aus dem Weg zu räumen. Ich überlegte kurz, ob ich ihr die Briefe der Unbekannten zum Fraß vorwerfen sollte, aber da Rose sie noch nicht gelesen hatte, entschied ich mich dagegen.
    Ich war froh darum, denn als ich am Nachmittag nach Hause kam, stieß ich auf eine seltsame Sache. Der Gedichtband lag noch auf dem Tisch und ebenso die Kassette,
die ich mitgenommen hatte. Ich machte mir ein leichtes Essen und setzte mich

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