Der Lilienring
Wochenenden geeinigt, nicht wahr?«
»Könnten wir nicht schon am Mittwochabend weitermachen? Roses Finissage am Donnerstag fällt ja aus. Und wir haben ihr ganzes Gelump doch schon hertransportiert.«
»Nun ja, viel zu tun haben wir im Augenblick ja nicht...«, sinnierte Rose.
»Du hast Schule, Cilly. Hausaufgaben, Klassenarbeiten, Referate...«
»Aber doch nicht den ganzen Tag. Abends hab’ ich frei, und ich finde die Geschichte besser als fernsehen.«
»Da ist was dran.« Das musste ich zugeben. »Na gut, Mittwoch am späten Nachmittag. Ihr versorgt mich mit Nahrung, dafür übersetze ich für euch. Ich hoffe nur, Uschi bringt mich nicht so aus dem Konzept, dass ich mich nicht mehr konzentrieren kann.«
»Ach Gott, ja. Sie ist heute zurückgekommen, nicht wahr?«
»Ja, und ich werde sie morgen besuchen. Der Befehl hat mich schon ereilt.«
10. Kapitel
Ein unangenehmer Verdacht
Um vier Uhr war ich am Montag zu meiner Mutter bestellt. Sie war am Sonntag gegen Mittag eingetroffen und hatte von Tilly natürlich von meinem Besuch gehört. Dass ich Julians Zimmer aufgesucht hatte und vom Dachboden den Koffer mitgenommen hatte, wusste sie ebenfalls.
»Hallo, Uschi, du siehst wunderbar aus. Der Urlaub ist dir gut bekommen!«, begrüßte ich sie freundlich, als mir Tilly die Tür zum Wohnzimmer öffnete.
»Du schaffst es, die gesamte Erholung mit einem Schlag zunichte zu machen!«, war ihre kalte Antwort.
»Aber warum denn? Ich habe dir doch nichts getan!«
»Nicht? Du bist, kaum dass ich das Haus verlassen habe, hier eingedrungen und hast herumgeschnüffelt. Was hast du eigentlich gesucht?«
»Darf ich mich setzen?«
»Tu nicht so höflich. Was wolltest du hier?«
»Unterlagen über Julians Familie sicherstellen.«
»Über Julians Familie? Du bist in seinem Zimmer gewesen. Da sind keine Unterlagen.«
»Richtig.«
»Was hast du von dort mitgenommen?«
»Ein Buch mit Gedichten.«
»In dem Zimmer sollte nichts angerührt werden. Ich will nicht, dass jemand seinen Raum betritt. Dort hat er noch am Abend vorher...« Sie schluchzte auf, aber diesmal rührte mich ihre Theatralik nicht im Mindesten.
»Uschi, du hast eine neue Frisur, ein superchices neues Kostüm und einen neuen Mann in deinem Leben. Hör auf, die gebrochene Trauerweide zu geben. Das zieht bei mir nicht mehr.«
»Wie redest du eigentlich mit mir!«
»Wie du es verdienst.«
»Ich bin deine Mutter, ich habe meinen Mann verloren. Hast du denn gar kein Mitgefühl? Du nimmst mir die letzten Erinnerungen an ihn.«
»Quatsch. Du hast doch selbst schon die Schränke im Schlafzimmer ausgeräumt. Wird Herr Schwartz dort in Bälde einziehen?«
»Hast du auch in meinem Schlafzimmer herumgewühlt? Ist denn hier gar nichts mehr vor dir sicher?«
»Hab’ ich nicht, Tilly hat es mir verraten. Was willst du eigentlich von mir? Julians Sachen gehören dir nicht alleine. Seine Familie ist gleichzeitig auch meine. Und wenn ich Unterlagen darüber haben will, dann stehen sie mir zu.«
»Was für Unterlagen meinst du überhaupt? Doch nicht das Gedichtbuch?«
»Nein, alte Tagebücher.«
»Julian hat nicht Tagebuch geführt! Das wüsste ich. Was immer ihn bewegt hat, hat er mir anvertraut.«
Außer so delikaten Dingen wie eine weitere Tochter und eine heimliche Brieffreundin, dachte ich. Antworten tat ich jedoch: »Nicht Julians Tagebücher, die seiner Vorfahren. Und diese Hefte waren in dem Koffer, den ich mitgenommen habe.«
»Was willst du mit dem Schrott?«
»Familienforschung betreiben!«
Sie fixierte mich mit ungläubigem Blick.
»Jetzt fängst du genauso damit an. Es hat mir gereicht, dass Julian ständig auf seiner ach so bedeutenden Familie herumgeritten ist. Ich bin ja bloß die Tochter eines
kleinen Konditors. Mit den vornehmen Kaisers konnten wir es nie aufnehmen.«
»Sag mal, beglückst du deinen neuen Freund eigentlich auch pausenlos mit derartigen Giftattacken?«
»Anahita!«
»Ist doch wahr. Meine Güte, können wir uns denn nicht mal vernünftig unterhalten?«
»Worüber? Dass du mein Haus plünderst?«
»Dein Haus? Nicht ganz, Uschi. Nicht ganz. Darüber haben wir ebenfalls noch ein Wort zu verlieren.«
»Wie meinst du das?«
Sie wurde misstrauisch.
»Du willst es doch verkaufen.«
»Was geht dich das an?«
»Ziemlich viel, Uschi. Ich habe das Vorkaufsrecht. Du wirst dich also mit mir darüber verständigen müssen.«
Sie war sprachlos. Ich nahm an vor Wut.
Ich hatte Recht. Als sie wieder über ihre Stimme gebot,
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