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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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treffen? Ich wohne noch in Köln. Ist doch nicht weit. Nur mal so einen Kaffee trinken.«
    Ich sah den schlaksigen Jan vor mir, drei Jahre jünger als ich, wissbegierig, hilfsbereit und mit viel zu vielen Nerven an der Oberfläche. Dass er seine Zwillingsschwester, seinen Halt im Leben, verloren hatte, war ihm erschreckend nahe gegangen; als man ihn anschlie ßend wegen Drogenbesitz festgenommen hatte, warf es ihn beinahe aus der Bahn. Ich verlor ihn, nachdem wir unsere gemeinsame Wohnung aufgelöst hatten, aus den Augen. Vielleicht war es ganz gut, wenn wir uns wieder einmal trafen. Ich sagte zu, mich am folgenden Tag in unserem ehemaligen Stammcafé mit ihm zu treffen.
    Dann rief ich Julians Agenten an und erfuhr, dass die Sängerin Denise einen bürgerlichen Namen und eine Adresse in Ahrweiler besaß.
    Was ich mit diesem Wissen anfangen sollte, fiel mir im Augenblick noch nicht ein. Darum machte ich mich über Marie-Annas Tagebücher her, was mich bis spät in die Nacht beschäftigte.
     
    Jan sah genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Mit schlenkernden Armen kam er auf mich zu und umarmte mich. Brüderliches Küsschen, Küsschen, ein strahlendes Lächeln. Er setzte sich zu mir an den Tisch.

    »Hübsch siehst du aus. Fast noch hübscher als früher. Darf ich doch sagen, oder?«
    »Natürlich. Ich trage die Schramme da in meinem Gesicht mit Anstand.«
    »Ist das bei dem Unglück passiert?«
    »Ja, ein Vermächtnis. Die Plastikchirurgen wollten sie wegbügeln, aber ich glaube, ich behalte sie.«
    »Ja, man braucht seine Erinnerungen, selbst an solche Dinge.«
    Es war warm genug, um draußen zu sitzen, und vor uns lag das Rheinufer.
    »Woran arbeitest du derzeit, Ana? Hab’ gehört, du hast deinen Doktor gemacht. Kann man als Kunsthistoriker damit etwas anfangen?«
    »Wenn man nicht gerade das Opfer der Skandalpresse ist und unter dem Verdacht steht, den eigenen Vater aus Habgier um die Ecke gebracht zu haben. Ach ja, was meinst du? Könnte ich noch eine Karriere in der Entrümpler-Branche starten?«
    »Gerne, wenn du nichts gegen schmutzige Arbeiten hast.«
    »War nicht ernst gemeint. Zurzeit helfe ich meiner Schwester beim Restaurieren alter Glasfenster. Das hält in Übung. Aber erzähl mal von deinem Job.«
    »Der ist ganz o.k. Es waren ein paar Studenten, die damit angefangen haben. Ich hab’ ein paarmal ausgeholfen. Dabei hab’ ich gemerkt, dass die da zum Teil ganz schön wertvolle Sachen abschleppen und auf den Müll gekippt haben. Also hab’ ich den Vorschlag gemacht, dafür einen Absatzmarkt zu finden.«
    »Auf diese Weise sind Leute schon zu Millionären geworden.«
    »So weit geht’s noch nicht, aber es bringt was ein. Erst haben wir es mit Flohmärkten versucht. Ich meine, du kannst dir gar nicht vorstellen, was manche Leute so in
ihren Garagen, Kellern, Schuppen oder Dachböden ansammeln. Die sind immer heilfroh, wenn jemand ohne groß zu fragen das Zeug abschleppt. Zahlen tun die zusätzlich dafür!«
    »Was findest du denn so? Schon mal einen alten Meister oder ein geschnitztes Altarbild?«
    »Da wart’ ich noch drauf. Nee, aber alte Bücher, manchmal richtig gut erhalten. Geht an die Antiquariate. Klamotten, da haben wir ein Mädchen, das die ganz nett wieder herrichten kann. Sie gehen in den Secondhand-Laden. Manchmal finden wir auch Pelze, vertitschen wir an einen Kürschner. Metalle liefern wir beim Altwarenhändler ab. Einmal haben wir eine ganze Rolle Kupferkabel abgeräumt. Das hat richtig Knete gebracht. Einen alten Patentherd haben wir gefunden, den haben wir inseriert. Ging weg wie nix. Eine komplette Modelleisenbahn – ich sag dir, die Leute haben uns beinahe die Bude eingerannt. Es ist zwar zu einem Großteil wirklich alter, dreckiger Mist, den wir ausräumen, aber ich hab’ da eine Adresse aufgetan, bei der wir unsere besseren Funde anbringen können. Weißt du, so altes Geschirr, Nippes, Gläser, Bestecke. Neulich hatten wir mal ein Silberbesteck, Marke Jahrhundertwende. Unvollständig, aber gut zum Ergänzen.«
    »Wer nimmt euch das ab?«
    »Du wirst es nicht glauben, ein renommiertes Haus, R&C-Antiquitäten. Kennst du das?«
    »Ja, zufällig. Machst du deine Geschäfte mit Valerius Corvin?«
    »Ja. Supertyp, der Mann. Echt fair.«
    »Mh.«
    »Hey, kennst du den etwa?«
    »Mh.«
    »Hey, Ana! Der Typ ist auch ziemlich sexy, was?«
    »Auch.«

    »Erzähl!«
    »Nein, erzähl du mir erst ein bisschen von ihm. Ich habe da Lücken auszufüllen.«
    Jan grinste mich mit

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