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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Verzeih mir.«
    Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust und kämpfte mit einem Schluckauf.
    »Ich benehme mich unmöglich«, flüsterte sie zwischen zwei Schlucksern und musste plötzlich kichern.
    »Komm, diesmal erweise ich dir den Dienst und bringe dich zu Bett.« In seiner Stimme lag ein leises Lachen.
    »Ja, ich schaffe es wohl nicht alleine.« Marie-Anna, jetzt von einer überwältigenden Heiterkeit geschüttelt,
sah zu dem Mann hoch, der sie nach wie vor umfasst hielt, und kicherte: »Wissen Sie, wenn Sie endlich diesen zipfeligen, alttestamentarischen Prophetenbart ablegen würden, dann sähen Sie dem Titus Valerius Corvus ziemlich ähnlich.«
    »Freches Weib! Zu Bett, los!«
    Er half ihr die schmale Treppe hinunter und führte sie sanft, aber bestimmt in ihre Kammer. Graciella schlief tief und ohne sich zu rühren, aber Rosemarie wachte auf.
    »Was ist passiert?«
    »Nichts Schlimmes. Hilf mir, Marie-Anna zu Bett zu bringen. Wir haben oben auf dem Dach Wein getrunken, und ich habe ihr zu viel eingeschenkt.«
    »Ach herrje, ist sie betrunken?«
    »Müde, Rosemarie, müde. Lass sie morgen früh ausschlafen.«
    Sie legten Marie-Anna auf ihr Bett, und Valerian Raabe zog die Decke über sie und steckte sie fest.
    »Onkel Valerian?«
    »Rosemarie, du hast das hier heute Nacht nie gesehen.«
    »Nein, ich habe es nur geträumt.«
     
    Marie-Anna erwachte, als das Tageslicht schon hell durch die Fenster fiel. Etwas drückte sie der Kopf, und nur nebelhaft konnte sie sich an die Ereignisse der Nacht erinnern. Dann aber war auf einmal alles wieder da, und sie rieb sich die Augen, um richtig wach zu werden.
    Als sie später zur Ausgrabungsstätte ging, waren Rosemarie, Graciella und Valerian Raabe damit beschäftigt, weitere Zeichnungen zu machen. Mit ihrem Tagebuch in der Hand gesellte sie sich zu ihnen.
    »Darf ich ein paar Skizzen für mich machen, Monsieur?«

    »Nur zu. Es ist Ihre letzte Gelegenheit. Ich habe beschlossen, das Grab wieder zu verschließen. Die Toten sollen ihre Ruhe haben.«
    »Danke, Monsieur«, sagte Marie-Anna leise. Er lächelte sie an.
    »Zeichnen Sie. Ist das Ihr Tagebuch?«
    »Ja, ich führe es seit einer Weile.«
    »Das freut mich, dass Sie auch dieses Geschenk von mir angenommen haben.«
    »Sie haben die Bücher in mein Zimmer gelegt?«
    »Ich dachte, es würde Ihnen helfen, Ihre Eindrücke zu ordnen.«
    »Es hilft, ja.«
    Sie schloss sich den beiden eifrig zeichnenden Gefährtinnen an und wurde von Graciella auf eine kleine Kuriosität aufmerksam gemacht.
    »Schau mal, Marie-Anna, hier, in dieser kleinen Nische, steht die Tonfigur einer Katze. Ist die nicht süß?«
    »Hier wurde Felis Felix begraben, innig geliebt von Valeria Gratia«, übersetzte Rosemarie die Inschrift. »Eine glückliche Katze also.«
    »Und ich habe das rote Kätzchen Feli genannt! Als hätte ich es geahnt, dass eine wie sie hier schon einmal gelebt hat.«
    »Ja, als ob du es geahnt hättest«, bestätigte Marie-Anna und streichelte Graciella über die Wange. Dann begann sie damit, Titus Valerius Corvus und die Schale der Annik noch einmal sehr sorgfältig zu zeichnen. Sie fertigte danach ein Bild des goldenen Torques an, und als sie damit fertig war, fiel ihr auf, dass der Ring mit der Inschrift nicht mehr in der Schale lag. Doch darüber schwieg sie.

Gegenwart

24. Kapitel
    Helden und Götter
    »Da hast du ihn, deinen Titus Valerius Corvus!«, jubelte Cilly und legte das aufgeschlagene Tagebuch vor mich hin. Eine sauber ausgeführte Bleistiftzeichnung füllte die ganze Seite. »Er sieht ihm ähnlich, nicht wahr?«
    Der Römer sah genauso aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Und er sah, bis auf die längeren Haare, dem gegenwärtigen Valerius nicht unähnlich. Sie hätten nicht gerade Brüder sein können, aber beide verkörperten den gleichen Typus.
    »Seht ihr, das beweist es, sie haben wirklich gelebt!«, triumphierte Cilly. »Ihr wolltet mir immer einreden, die Geschichte sei nur von eurem Vater erfunden worden.«
    »Herzchen, Logik ist nicht deine Stärke! Das Einzige, was diese Zeichnungen beweisen, ist, dass es ein Grab gab mit den Büsten der besagten Personen. Julian kannte dieses Tagebuch, und aus diesen mageren Fakten hat er seine Geschichte gewoben. Es gibt keine Zeitangaben, es gibt keinen Hinweis auf Todesart und Datum, nicht auf Cullen, den Barden, nicht auf Ursa, die Haushälterin.«
    Cilly senkte den Kopf. Als sie ihn wieder hob, beharrte sie: »Und Feli? Feli war da, und Graciella wusste, dass die

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