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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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rote Katze auf dem Hof schon mal dort gelebt hat.«
    »Katzen haben neun Leben, sagt man.«
    Ich lächelte sie an.
    »Und Menschen?«
    »Wer weiß?«

    Rose betrachtete die Zeichnung der zusammengeringelten Katzenstatue, die sich ebenfalls in dem Tagebuch befand.
    »Wir werden es nie wissen, Cilly. Ich finde es aber einfach wundervoll, die Quelle von Julians phantastischen Erzählungen gefunden zu haben. Eines, Cilly, ist wenigstens sicher – Rosemarie und Graciella haben tatsächlich gelebt.«
    »Ja, sie haben deutliche Spuren hinterlassen. Und ich denke, wenn wir uns die Skizzenblöcke genauer ansehen, werden wir auch die Zeichnungen des Grabes und der anderen Büsten finden. Ich muss sagen, bisher habe ich nur die ersten Seiten angeschaut, sie zeigen Blumen und Blätter und Schmetterlinge. Ich dachte, es seien die Unterrichtsarbeiten der jungen Mädchen. Wir werden sie in Ruhe durchgehen müssen.«
    Diesmal hatten wir drei Tage gebraucht, um uns durch das dritte Tagebuch zu arbeiten. Zwei waren jetzt noch übrig.
    »Wir nehmen die beiden anderen Bücher mit, schlage ich vor. Morgen muss die Vergangenheit mal ruhen.«
    »Ist in Ordnung. Ich denke, das Sensationellste haben wir wahrscheinlich in diesem hier schon gefunden.«
    »Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Dieser Ring, Rose, der in der Schale lag und verschwunden ist …«
    »Ja richtig, Anita, das hatte ich beinahe vergessen. Das ist der Ring, den du gesehen hast, als du den Lilienring an den Finger gesteckt hast. Meine Güte, mir wird ganz kalt!«
    »Der goldene Ring, den nach Julians Erzählung Valerius Corvus seiner Annik geschenkt hat. Ja, daher kannte ich ihn.« Ich lächelte die beiden an. »Seht ihr, so funktioniert Erinnerung. Man kann es sehr schön rational erklären. Man hat etwas gehört oder gesehen, wieder vergessen, und ein unerwarteter Reiz lockt die verlorenen
Bilder in einem anderen Zusammenhang wieder hervor.«
    »Du bist einfach grauenvoll vernünftig, Anita.«
    »Ja, das bin ich. Sonst würde ich wohl verrückt werden.«
    Rose sah mich eine Weile schweigend an, aber ihr Gesicht spiegelte die unterschiedlichsten Gefühle wider.
    »Du hast Recht. Wir bleiben wirklich besser bei deiner Betrachtungsweise. Ich möchte lieber nicht wissen, was passiert, wenn ich die Zeichnung von Lucius Aurelius Falco finde.«
    Cilly, die nur mit einem halben Ohr zugehört hatte, fragte plötzlich: »Hast du schon in die letzten Bücher hineingeschaut, Anita?«
    »Nein, wofür haltet ihr mich? Das wäre doch völlig gegen die Spielregeln. Ich denke, wir sollten uns Zeit nehmen für sie. Unser Urlaub scheint mir sehr geeignet für die Lektüre. So, und jetzt fahre ich nach Hause, Rose. Übrigens, morgen Nachmittag kommt Denise noch mal bei mir vorbei. Wollt ihr auch kommen?«
    »Gerne, wann?«
    »So gegen drei, denke ich.«
    Ich verabschiedete mich von meiner Schwester und Cilly und fuhr in der Dämmerung nach Hause. Meine Gedanken weilten aber bei Marie-Anna und Valerian, denn auch mir war die Dokumentation des alten Grabfundes sehr nahe gegangen. Wäre ich an Marie-Annas Stelle gewesen, ich hätte sicherlich dieselben Gefühle entwickelt. Eine feine Melancholie überkam mich, als ich an die gesprungene Schale und die Inschrift von Anniks Grab dachte. »Geliebte, möge die Erde dir leicht sein.« Ja, auch Julian hätte das als Zeichen einer tiefen Liebe gedeutet. So tief, dass sie Zeiten und Welten überdauern würde. Eine romantische Idee, aber eine herzergreifende. Gab es eigentlich wirklich eine solche Liebe?
    Für mich nicht, wenn ich weiter derart unaufmerksam Auto fuhr. Ich rief mich zur Ordnung und konzentrierte mich auf das Fahren. Als ich in meinen Stellplatz vor dem Haus einparken wollte, gab ich einen unfeinen Fluch von mir. Er war belegt. Und zwar durch einen roten Porsche. Wohlbekannt, und heute sehr unwillkommen, denn ich wollte den Abend mit mir und meinen Gedanken verbringen. Zu allem Überfluss musste ich zweimal um den Block kreisen, um einen freien Platz zu finden. Grimmig näherte ich mich dem besagten Sportwagen. Marc saß hinter dem Steuer, ein wenig zusammengesunken, und schien zu schlafen. Ich überlegte kurz, ob ich ihn seinem Schicksal überlassen sollte, aber dann würde er nur später bei mir aufkreuzen. Also klopfte ich hart mit dem Schlüssel an die Scheibe.
    Sein Gesicht fuhr hoch, und ich hätte mich beinahe auf die Straße gesetzt. Es war blutüberströmt. Mit einer schnellen Bewegung riss ich die Tür auf.
    »Marc, was ist

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