Der Lilienring
hatte er mehr als einmal damit Probleme gemacht. Aber irgendetwas war anders geworden.
»Die Waschmaschine ist in einer Stunde fertig. Dann sind die Sachen auch getrocknet. Bügeln tue ich sie dir aber nicht.«
»Schon klar. Anita, ich würde gerne ein, zwei Stunden schlafen. Ich bin ziemlich fertig.«
»Mhm, ja, das bist du wohl. Komm mit.« Ich half ihm auf, brachte ihn in mein Schlafzimmer und schlug die Bettdecke zurück. »Leg dich, mein Held.«
»Danke«, seufzte er ungewöhnlich fügsam, quälte sich aus dem Bademantel und legte sich hin. Ich kam noch einmal in den Genuss, einen wohlgeformten Männerkörper in seiner ganzen Schönheit zu bewundern,
zog aber sehr schnell die Decke über ihn und strich ihm mit einem kleinen Lächeln über die Wange. Er stöhnte leise und schloss die Augen. Er musste sich wirklich ziemlich angeschlagen fühlen.
Es war halb elf geworden, ich räumte die Küche auf, goss die Blumen, machte einen Zettel für die Nachbarin fertig und packte die Unterlagen aus Julians Koffer sorgfältig in eine Aktentasche. Nach kurzem Zögern nahm ich auch die Dokumentenmappe zur Hand. Es war gewiss nicht ganz richtig, diese Originale mit in ein Ferienhaus zu nehmen, ohne vorher Kopien davon zu machen. Aber vielleicht kam ich morgen noch dazu. Das Beutelchen mit dem Lilienring und dem Goldkreuzchen packte ich ebenfalls ein. Danach steckte ich meinen Kopf ins Schlafzimmer und fand Marc in tiefem Schlummer. Leise packte ich meine Reisetasche mit urlaubsgerechter Garderobe, also unter Verzicht auf jedwede Eleganz und Firlefanz. Darüber war es allmählich Mitternacht geworden, und ich fand mich gähnend vor dem Badezimmerspiegel wieder. Mein Gesicht war abgeschminkt, die feine Narbe, die von der Stirn bis zur Oberlippe verlief, war auf der gebräunten Haut nur noch als dünner, weißer Streifen sichtbar. Ganz anders als die, die Valerius Corvus verunstaltet hatte. Die feine Stickerei der heutigen Medizin hatte die Bildung wulstigen Narbengewebes natürlich verhindert. Dennoch – es war ein seltsames Zusammentreffen von Zufällen, dass nun gerade ich dieses Zeichen in meinen Zügen trug.
»Julian, was hast du alles gewusst?«, fragte ich leise den Spiegel. Wieder kam die Wehmut über mich. Für einen Moment überließ ich mich ihr, dann schüttelte ich mich energisch. Ich würde ein wenig Schlaf brauchen, morgen stand uns ein langer, anstrengender Tag bevor.
Mein Lager würde ich am besten auf dem Sofa im Wohnzimmer aufschlagen, aber ein Kopfkissen und eine Decke musste ich noch aus dem anderen Zimmer holen. Leise schlich ich mich im Dunkeln hinein und tastete nach dem zweiten Kissen, das ich immer im Bett hatte.
»Anita?«
»Habe ich dich geweckt?«
»Nein, ich bin so wach geworden. Was machst du denn da?«
»Ich versuche, dir ein Kopfkissen zu entwenden.«
»Aber warum denn?«
»Weil ich auf dem Sofa ein Mindestmaß an Bequemlichkeit haben möchte.«
»Aber Süße, du kannst doch in deinem Bett schlafen. Wie spät ist es?«
»Mitternacht durch.«
»Mh, nicht gut. Rita wird mich jetzt nicht mehr so freudig begrüßen.«
»Rita?«
»Eine Freundin. Ich übernachte gelegentlich bei ihr, wenn ich in der Gegend bin.«
»Ich glaube nicht, dass du noch irgendwo hinfahren solltest.«
»Nein, möchte ich eigentlich auch nicht. Aber warum legst du dich nicht zu mir? Platz ist doch genug da.«
Einen Moment blieb ich unschlüssig stehen. Ja, es war genug Platz in dem breiten Bett. Und ja, es war viel bequemer als das Sofa. Und – ja, ich sehnte mich danach, von jemandem in den Armen gehalten zu werden. Von irgendjemandem, gleichgültig von wem. Die Wehmut, die mich seit dem Nachmittag umfangen hielt, wollte und wollte nicht weichen. Es mochten mir ein bisschen Zärtlichkeit und menschliche Wärme helfen, um zu vergessen.
»Anita?«
»Ja, rück ein Stückchen.«
»Oh, gut!«
Ich schlüpfte neben ihn und wurde von Wärme und einem starken Arm umfangen.
»Autsch!«, jammerte er leise und lachte in meine Halsbeuge. »Ich bin ein verwundeter Krieger, Mylady! Seid sanft mit mir.«
»Gut so, das hält dich von weiteren Zutraulichkeiten ab.«
»Glaubst du wirklich?«
Seine Hand streifte über meinen bloßen linken Arm, und der Träger meines Nachthemdes verrutschte dabei weit genug, dass er auf dem Rückweg die nackte Haut meines Busens berührte.
»Es fühlt sich sehr schön an, Schätzchen«, flüsterte er. »Wie eine schmerzstillende Medizin.«
»Marc!«
»Anita, habe ich nicht ein
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