Der Lilienring
passiert?«
»Kleine Schlägerei. Kannst du mir helfen?«
»Sofort. Ich rufe den Notarzt...«
»Lass den Scheiß. Hilf mir aus dem Auto und nach oben. Hab’ mir den Fuß verrenkt!«
»Arzt.«
»Nein. Hoch zu dir. Erklär’ ich dir später.«
»Mann!«, entfuhr es mir, als er sich unter Ächzen und Stöhnen aus der niedrigen Sitzposition quälte.
»Kannst du mich stützen?«
»Wird schon gehen.«
Er humpelte, seinen Arm um meine Schulter gelegt, zur Haustür und die Treppe hoch. Ich hoffte nur, die Nachbarn würden uns nicht allzu neugierig mit ihren Blicken verfolgen. Ich schob ihn in mein Schlafzimmer und wollte ihn sich vorsichtig auf der Bettkante niedersetzen lassen.
»Bloß nicht hinlegen, Anita. Dann komm ich nie wieder hoch!«
»Gut, dann der Sessel.«
»Danke, Herzchen. Hast du was zu trinken für mich?«
»Wasser.«
»Ich dachte an eine kreislaufstabilisierende Infusion.«
»Wasser. Nichts anderes. Innerlich und äußerlich. Wenn du keinen Arzt willst, musst du mit dem vorlieb nehmen, was ich von meinem Erste-Hilfe-Kurs noch weiß. Und da hieß es – kein Alkohol.«
»Mist.«
Ich brachte ihm ein Glas Mineralwasser und holte dann eine Schüssel mit warmem Wasser und einen Lappen, um ihm vorsichtig das Blut vom Gesicht zu wischen. Er ließ es sich mit geschlossenen Augen gefallen. Die Verletzung schien nicht sehr schlimm zu sein, eine Platzwunde am Haaransatz, zwar geschwollen, aber schon verkrustet.
»Daran zumindest wirst du nicht sterben. Was noch, du Held?«
Er zeigte seine Hände vor, an der rechten war die Haut über den Knöcheln ziemlich tief aufgerissen.
»Wie viele Zähne?«
»Mindesten zwei!«
Er grinste schon wieder, als ich die Wunde auswusch und Salbe darauf strich.
»Jetzt die inneren Organe. Zieh dich aus, mein Junge!«
»Hättest du das vor zwei Stunden angeregt, wäre ich nicht in diese blödsinnige Lage geraten.«
»Schaffst du es alleine?«
»Nein, wenn ich mich bücke, dreht sich alles. Also, mit den Schuhen musst du mir schon helfen. Wahrscheinlich mit dem Rest auch.«
Es ging einigermaßen, aber ein paar geprellte Rippen und der verstauchte Knöchel entlockten ihm bei der Prozedur einige Schmerzlaute.
»Scheint eine Runde Bodenkampf gegeben zu haben, so wie deine Sachen aussehen.«
»Mh.«
»Gib her, sie kommen in die Waschmaschine und du unter die Dusche. Ich stell’ dir einen Hocker hinein, dann kannst du dich im Sitzen waschen. Und deine Gschamigkeit kannst du auch gleich vergessen. Ich bleibe dabei, damit du mir nicht aus Versehen in der Duschwanne ertrinkst.«
»Hast du eigentlich mal auf Krankenschwester gelernt, Süße?«
»Kein bisschen, das rät mir der gesunde Menschenverstand. Da rein.«
Ich bugsierte ihn unter die Dusche, und wenn ich nicht so heftig zwischen Mitleid und Ärger geschwankt hätte, hätte ich mich sicher an seinem prächtigen, wenn auch zerschrammten Körper erfreut. Während er sich wusch, stopfte ich Jeans, T-Shirt, Jacke und Wäsche in die Maschine.
»Du wirst meinen Bademantel anziehen müssen, bis der Trockner fertig ist. Hast du eigentlich Hunger?«
»Ach, essen darf ich?«
»Ja, und dazu bekommst du auch ein Glas Wein. Eins, und nichts Stärkeres!«
»Ja, Oberschwester Anita!«
Mein Bademantel bedeckte notdürftig seine Blöße, und um die Nähte musste ich bei jeder größeren Bewegung fürchten. Aber Marc verhielt sich sehr ruhig und aß schweigend die Brote, die ich ihm gerichtet hatte. Als er fertig war, gönnte ich ihm noch ein Glas Wein.
»So, und nun erzähl mal. Muss ich damit rechnen, dass ein Sondereinsatzkommando im Laufe der Nacht
das Haus umstellt? Das wäre mir sehr lästig, denn ich bin grade erst den Klauen der Justitia entkommen.«
»Hab’ ich gehört. Das ist genau der Anlass, warum ich ein wenig angeschlagen bei dir gelandet bin.«
»Aha.«
»Drei Jungs von der Schmuddelpresse hatten einen hübschen Plan, wie sie euch drei Grazien auflauern und in möglichst schmackhafter Weise dem Publikum servieren könnten. Deine Mutter hatten sie schon im Kasten.«
»Verdammte …«
»Spar dir den Atem, den Fotoapparat können derzeit nur noch Taucher bergen.«
»Versuchst du jetzt, die Konkurrenz mit schlagenden Argumenten aus dem Weg zu räumen?«
»Was heißt hier Konkurrenz, Mädchen. Ich war dein Ritter und habe die blutrünstige Meute zurückgeschlagen.«
Ich betrachtete ihn nachdenklich. Früher hätte ich ihm nicht geglaubt. Er war nie abzuhalten gewesen, einer Sensation nachzujagen. Mir
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