Der Lilith Code - Thriller
Vorgehen des Staates Israel passieren würde. Nun aber hatte ausgerechnet ein Kabinettsmitglied ihrer Partei im Fernsehen zu dieser Pressekonferenz in London Stellung genommen und Israel stark kritisiert.
Es war wohl ein Revanchefoul. Sie hatte den Minister vor versammelter Fraktion letzte Woche eine Standpauke erteilt. Das hatte er ihr nicht verziehen. Und auch wenn der offizielle Kurs ihrer Partei traditionell Pro-Israel war, so gab es doch auch immer einige Hinterbänkler oder stille Kritiker, die sich dieser Doktrin nicht anschlossen. Die durften dann ja auch nicht die Suppe bei der Verlegerin auslöffeln, deren festgeschriebenes Ziel die stete Treue zu Israel und dem jüdischen Volk war. Sie konnte kurz vor wichtigen Wahlen keine publizistische Gegnerschaft gebrauchen.
Ihr Innenminister hatte im Sicherheitsausschuss vor wenigen Stunden eine düstere Lage beschrieben: In ganz Deutschland kam es zu heftigen Zusammenstößen zwischen Muslimen gleich welcher Nation und den Sicherheitskräften. Mehrere Konsulate in Düsseldorf, Hamburg und München waren besetzt worden. Aus der israelischen Botschaft heraus war vom Sicherheitspersonal auf wütende Demonstranten geschossen worden. Das war wieder Anlass für stärkere Proteste. In Köln waren am Nachmittagmehrere Brandsätze in den Dom geworfen worden. Noch am Abend hatte die Kanzlerin den islamischen Teil der Bevölkerung in einer Rede an das Volk um Mäßigung und Ruhe gebeten, die Pressekonferenz als Teil der freien Meinungsäußerung bezeichnet und ihre Solidarität mit der britischen Regierung bekundet. Womöglich ein Fehler, denn ein Schulterschluss mit den Briten konnte das Ultimatum des Iran mit der Drohung, Atomwaffen einzusetzen, auch Deutschland in den Mittelpunkt des Hasses rücken.
Frankreich hatte sich still verhalten und der Präsident sich »erstaunt und verwundert« über die Veröffentlichung in London gezeigt. Zwei Stunden lang hatten sich die Außenminister der wichtigsten Wirtschaftsnationen wie Russland, China, die USA, Deutschland, Indien, Japan und Frankreich hektisch via Video-Konferenz ausgetauscht. In fast allen Ländern brannte es. Ein Bürgerkrieg drohte in Indien, mit einer gigantischen muslimischen Bevölkerung und islamischen Staaten wie Pakistan als Nachbarn. Keiner war auf diesen Flächenbrand vorbereitet. Natürlich behaupteten die üblichen Auguren, dass die islamistischen Extremisten nur auf eine solche Gelegenheit gewartet hätten. Generell wuchs in den Bevölkerungen des Westens wieder die Angst vor dem, was da aus dem Orient zu ihnen schlug. Denn auch die Arabische Union erwies sich in den letzten Tagen als gefestigter, als Kommentatoren in den Medien und Berater der Kanzlerin vorausgesagt hatten. Ihr Sprecher, der syrische Präsident, mahnte zur Ruhe, sprach von den üblichen Verirrungen des Westens, derentwegen man ja auch die Union gegründet habe. Und tatsächlich blieb es in den Staaten der Union ruhig. Lediglich in Ägypten kam es an der Al-Azhar-Universität in Kairo zu heftigen Zusammenstößen und Unruhen zwischen Studenten und Polizeikräften.
Es war, als ob die Welt kurz Atem holte. Aber das Feuer brannte. Und so konnte auch die deutsche Regierungschefin nicht damit zufrieden sein, wie ihr Innenminister ihren Verbündetenkritisierte. In scharfem Ton wies sie ihn zurecht. »Wir stehen im engen Schulterschluss mit den Israelis. Dafür stehe ich mit meinem Namen.«
Ihr Wirtschaftsminister schien unbeeindruckt. »Mit allem nötigen Respekt, Frau Kanzlerin, aber Sie sind in erster Linie dem Wohle unseres Staates verpflichtet. Es gilt Schaden von Deutschland abzuhalten und vielleicht auch von Israel. Aber erst geht es um Deutschland.«
Ihr Handy vibrierte. Eine Kurznachricht war eingegangen. Sie tippte auf die grüne Taste. »RR LAU!!!« stand in großen Lettern auf ihrem Display. Ihre Büroleiterin kennzeichnete sofortige Rückrufe mit einem Ausrufezeichen. Drei bedeuteten Alarm.
»Wir sprechen später darüber. Ich muss telefonieren.« Die Kanzlerin griff nach ihren Akten, deutete auf den neben ihr sitzenden Vizekanzler. »Sie übernehmen die Tagesordnung.«
Der hagere Vertreter nickte, in stiller Freude über den zwar kurzen, aber plötzlichen Machtzuwachs. Kaum hatte die Kanzlerin ihre verdutzten Kabinettskollegen mit ihrem Vizekanzler allein gelassen, reckte sich dieser und gab sich ganz der Pose des zeitweiligen Regierungschefs hin. Währenddessen eilte die Kanzlerin, begleitet von ihren Bodyguards, vom
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