Der Lilith Code - Thriller
sechsten Stock, wo die Kabinettsräume lagen, zwei Etagen hinunter in die abhörsicheren Räume des Kanzleramts. Ihre Bodyguards sicherten die Tür, und sie griff zum Telefon. Nebenan befand sich das Lage- und Krisenzentrum des Kanzleramtes. Dort wurde mit Unterstützung der beiden Fachministerien Inneres und Äußeres seit Stunden ununterbrochen gearbeitet. Die Analysen der Botschaften in den Krisenregionen liefen dort ein, die Bulletins der Bundesbehörden wie BKA und Verfassungsschutz sowie die Einschätzung der einzelnen Landeskriminalämter. Der Kanzleramtsminister hatte die jüngsten Berichte zusammengefasst und sie auf den Tisch vor ihr gelegt. Sie blätterte aufmerksam darin, während sie auf den Anruf wartete. Dann hörte sie die sonore Stimme mit dem schwäbischenAkzent. »Das Problem sitzt in Ihrem Fell. Nicht weit von Ihnen.«
Sie war ungehalten. Für derartige Allegorien hatte sie keine Zeit. »Kommen Sie zum Punkt, Lau.«
»Nur ruhig, Kanzler.« Er weigerte sich immer noch, die weibliche Form des Wortes zu gebrauchen. Tradition war eine der wenigen Schwächen, die er besaß. »In Ihrer Stadt laufen vier tickende Bomben herum. Sie haben etwas, was das Fass zum Überlaufen bringen könnte. Es wäre ratsam, sie schnellstmöglich zu …« Er sprach nicht mehr weiter, aber die Kanzlerin verstand.
»Haben Sie Aufenthaltsorte und wen sollen wir darauf ansetzen?«
Schweigen am anderen Ende.
Sie sah auf die Dossiers. Die Lage allein in Deutschland war schon äußerst angespannt. Aber weltweit drohte noch eine viel größere Eskalation. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie jetzt nicht in tages- oder gar parteipolitischem Kleinklein denken durfte. »Keine verdeckte Nummer, das geht schief. Sie müssen den Apparat auf die vier ansetzen.« Nach den Quellen fragte sie nicht. Das war müßig bei Lau. Da vertraute sie ihm. Er hatte sie nie mit falschen oder nur vagen Informationen versorgt, sowohl außen- als auch vor allem innenpolitisch. Einige ihrer internen Gegner waren dank seiner Dossiers mittels gezielter Indiskretionen gestolpert, ehe sie der Kanzlerin in die Wade oder schlimmer in die Kehle beißen konnten. Das war aber Tagesgeschäft und damit überschaubar. Anders die düstere, für sie so unerträgliche Welt der Spionage. Aber auch hier hatte er ihr Vertrauen gewinnen können.
Sie hatte eigentlich vermutet, dass er eine kleine, möglichst saubere Aktion des BKA bevorzugte. Kein publizistischer Wirbel, und bei Erfolg ginge man an die Öffentlichkeit, wie einst bei den Sauerland-Terroristen. Konnte sie ihm wieder einmal vertrauen?
Sebastian Lau war ihr Mann für das Grobe. Er begleitetesie nun seit vielen Jahren, gehörte keiner Partei oder einem Ministerium oder einer Behörde mehr an, kannte aber die wichtigen Schaltstellen aus seiner Zeit in Bonn in- und auswendig. Er war jetzt unabhängig, und das machte ihn so wertvoll. Sie war ihm nur zweimal persönlich begegnet, aber das hatte ihr gereicht. Er war alles andere als einnehmend oder gar charmant. Und bis auf ihre Büroleiterin wusste auch keiner von dieser Verbindung. Denn Hans Lau war tot. Offiziell lag sein vom Krebs zerfressener Körper auf dem Friedhof der badischen Stadt Freiburg, im Ortsteil Günterstal. Diese Inszenierung war notwendig geworden, da interessierte Kreise seine Verstrickungen in mehreren Affären der alten Bundesrepublik in Untersuchungsausschüssen hatten aufklären wollen. Und so nahm Sebastian Lau seine Geheimnisse und sein Netzwerk mit ins virtuelle Jenseits. Er wusste nicht, dass die Kanzlerin seinen neuen Aufenthaltsort kannte. Sie war zu erfahren, um sich jemals wieder von einem Mann abhängig machen zu lassen.
Um acht Uhr morgens am nächsten Tag setzten sich das Berliner Sondereinsatzkommando, eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei, das Sprengkommando und die Hundestaffelführer in Marsch. Ihr Ziel: der Monbijouplatz im Osten der Stadt.
Berlin, 21. 06., 7.15 Uhr
Das Bundeskriminalamt (BKA) trägt zusammen mit den anderen Polizeien des Bundes und der Länder sowie in Kooperation mit ausländischen Sicherheitsbehörden aktiv zur Aufrechterhaltung der Inneren Sicherheit in Deutschland als Teil eines freiheitlichen demokratischen Europas bei. Durch rechtsstaatliches Vorgehen leistet das BKA Dienst am Bürger und am Staat, geprägt von sozialer Verantwortung, und arbeitet so an der Verwirklichung der Werteordnung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland mit.
Allgemeines Aufgabenverständnis des
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