Der Lilith Code - Thriller
hoch. Jan schwitzte. Keinesfalls wollte er in solch einem schwierigen Land Ärger bekommen.
Einen Moment später stieg Ed vorsichtig wieder herab. Das Gesicht des Holländers wirkte wie versteinert.
»Ich glaube, wir haben ein Problem. Sie sind vier, haben Waffen und wollen jemanden töten.«
»Dann sollten wir zu den Wärtern gehen. Ich habe nicht vor, mich auf einer Ritterburg abknallen zu lassen.« Jan zwang sich, ruhig zu bleiben.
»Ja, klar«, kam es von Ed.
Im nächsten Moment huschte er an dem Eingang vorbei auf die andere Seite, griff nach einem Stein und warf ihn Richtung Jan.
Die Stimmen verstummten, leise wurden wohl Befehle gewispert, und Schritte kamen näher. Dann ging alles sehr schnell: Eine Pistole mit einem Schalldämpfer tauchte auf, Ed verpasste dem Schützen einen Schlag an den Hals und griff nach der Waffe. Er wirbelte herum, schrie Jan an, er solle loslaufen.
Jan rannte los. Nach wenigen Metern blickte er sich um und sah zwei Männer, die ihm folgten. Eine Sekunde später hörte er drei fremdartig klingende Plops und sah die Köpfe der Männer regelrecht zerplatzen.
All das ging auf merkwürdige Weise fast lautlos vor sich. Jan hielt inne, er sah Ed, der die Pistole immer noch in seiner rechten Hand hielt und sie mit der linken stützte. Er rannte zurück und beugte sich über die zwei Männer, um nach ihrem Puls zu fühlen.
»Dein Job ist hier nicht mehr gefragt«, zischte Ed und riss ihn hoch. »Da drinnen braucht dich jemand dringender. Ich kümmere mich um Nummer vier.« Schon hastete er die Treppe zum Bergfried hoch.
Wie benommen wankte Jan die Stufen zur ehemaligen Großmeisterwohnung hinunter. Was er sah, ließ ihn kurz erstarren. Der Kopf eines jungen Mannes ragte aus der Erde, sein Mund war verklebt, und auf seinem Kopf trug er ein Geflecht aus Stacheldraht. Steine verschiedener Größe lagen verstreut im Raum, der vielleicht zwanzig Quadratmeter maß. Jan trat näher, kniete vor dem Kopf, der sich plötzlich ruckartig bewegte, und sprach ihn leise an. Der Junge schlug die Augen auf, pures Entsetzen war in ihnen zu lesen.
Jan riss ihm den Knebel vom Mund. Mit einer fast hilflosen Geste versuchte er, ihn zu beruhigen. Er legte seine Hände auf die Brust, atmete tief durch und zeigte seine Handinnenflächen, hob und senkte sie. Tatsächlich atmete der Junge tief durch. Die Männer hatten den Jungen an einen T-förmigen Holzbalken befestigt, der in einer genau passenden Öffnung des Bodens versenkt worden war. Selbst wenn er ihm helfen wollte, hätte Jan ihn unmöglichaus diesem Loch ziehen können. Das Kreuz schien sehr massiv zu sein. Jan warf seinen Rucksack auf den Boden, riss die Wasserflasche heraus und führte sie vorsichtig an den Mund des Opfers. In diesem Moment hörte er ein weiteres Ploppen. Schritte kamen näher. Ed stand in der Tür. »Fertig! Was haben wir hier?«
Jan spürte, wie er zu zittern begann. Als Arzt hatte ihn nie etwas aus der Fassung bringen können, aber ein Holländer, der in weniger als fünf Minuten vier Menschenleben ausgelöscht hatte und dann seelenruhig nach dem Stand der Dinge fragte, war zu viel für ihn. »Hast du den Verstand verloren?«, schrie er. »Was hast du getan? Was soll das?« Seine Stimme überschlug sich.
Statt zu antworten, drehte sich der Holländer um und verschwand. Wenige Augenblicke später kehrte er, eine der Leichen hinter sich her schleifend, wieder zurück.
»Wir holen den Jungen raus, werfen das Gesindel ins Loch und verziehen uns, ehe im Dorf unter uns«, er nickte in Richtung Fenster, »jemand etwas mitbekommt.«
»Vorher wirst du mir noch die Frage beantworten, was dieser Irrsinn hier soll!« Jan beugte sich wieder über den Jungen. »Frag ihn, wie er heißt. Dann heben wir ihn gemeinsam heraus, und ich versorge ihn. Ich habe ein Erste-Hilfe-Päckchen dabei.«
Ed sprach den Jungen leise auf Arabisch an. Dieser antwortete mit schwacher Stimme. Ed drehte sich um: »Er heißt Yussef, und er bittet uns, ihm zu helfen.«
Gemeinsam griffen sie in das Loch und hoben das Kreuz an dem Querbalken ein Stück nach oben. Der Junge schrie vor Schmerzen auf. Unter großer Anstrengung zogen sie das Kreuz weiter nach hinten, wo sich die Öffnung verjüngte. Das Kreuz mit dem wimmernden Jungen hing zwar in der Luft, aber sie konnten nun die Fesseln lösen. Jan zog den stöhnenden Jungen vorsichtig nach oben auf den Boden des Raumes. Er riss eine Verpackung mit einer Nadel auf und steckte sich eine kleine Taschenlampe in den
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