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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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Netzwerk der Unternehmen ging der normale Alltag weiter, eigentlich hätte er Dokumente unterzeichnen, Geld transferieren, Bankkonten eröffnen und überall dafür sorgen müssen, dass jeder tat, was er sollte. Aber er konnte sich nicht konzentrieren. Zwei Szenarien beschäftigten sein Denken. Im ersten wurde er von zwei riesigen Schergen aus Tschechanows Büro abgeführt, während Tschechanow kalt lächelnd zusah, im zweiten befand er sich auf den Cayman Islands in einem neonbeleuchteten Vernehmungsraum und versuchte fieberhaft, mit einigen Polizisten zu verhandeln, die ihm mit versteinerten Mienen gegenübersaßen.
    Die Stunden schleppten sich dahin. Er ließ das Mittagessen ausfallen und bereute es anschließend. Er rauchte halbherzig. Als es Zeit war, zu seinem Meeting aufzubrechen, fühlte er sich benommen und seltsam losgelöst.

    Tschechanow hatte sein Büro in einem niedrigen Gebäude, oberhalb einer Reihe von Geschäften. Ein Café, ein Schuhgeschäft, eine Reparaturannahme für Elektrogeräte. Es war ihm nicht anzusehen, wie viel Geld und wie viel Einfluss sich hinter der Fassade verbargen. In der Mitte der Ladenfront gab es eine Holztür, dahinter eine Holztreppe, deren graue Farbe abgeblättert war und die von einer einzelnen Neonröhre an der Wand beleuchtet wurde. Lock stieg zwei Treppen hinauf. Oben auf dem Treppenabsatz gab es zwei Türen. Er ging zur rechten und drückte auf den Klingelknopf. Ein glanzloses Messingschild neben der Tür trug die Aufschrift Industrial and Economic Holdings Z.A. O ... Während er wartete, überprüfte Lock seine Ausrüstung: eine Haarnadel, die zusammengedrehten Büroklammern, sein Countdown-Handy, sein normales Handy, sein BlackBerry mit Kamera. Alles da, nichts davon verdächtig. Die Hand in seiner Tasche fühlte sich feucht an, und er versuchte, sie am Innenfutter abzutrocknen.
    Auf der anderen Seite der Tür wurde ein Schlüssel gedreht, und die Tür öffnete sich. Tschechanows Sekretärin führte Lock hinein, ohne sich mit Höflichkeitsfloskeln aufzuhalten, und er stand ein paar Minuten im Empfangsbereich herum, fragte sich, ob er sich hinsetzen sollte oder nicht. Hier gab es nicht viele Besucher, dachte er. Alle Wände im Büro waren vertäfelt, senkrechte Paneele aus Pinienholz, lackiert in einem kräftigen Rotbraun. Der einzige Wandschmuck war ein einzelner Bildrahmen mit der Gründungsurkunde der Industrial and Economic Holdings. Zwei niedrige Stahlrohrstühle mit abgewetzten Sitzflächen standen mit Blickrichtung zum Rezeptionstisch an einer Wand, zwischen ihnen ein leerer Beistelltisch aus billigem Material.
Der Raum roch nach Staub, als hätte gerade jemand durchgesaugt.
    Das Telefon der Vorzimmerdame klingelte. »Mr. Tschechanow kann Sie jetzt empfangen.«
    Lock ging an ihrem Schreibtisch vorbei, einen Korridor entlang und durch die zweite Tür links. Hier gab es die gleichen Pinienwände, den gleichen grauen Teppichboden. Hinter Tschechanows Schreibtisch hing ein russisches Wappen, ein goldener doppelköpfiger Adler auf einem leuchtend roten Schild.
    Tschechanow stand auf, beugte sich über seinen Tisch, und sie schüttelten sich die Hände. Seine Hand fühlte sich klein und trocken an. Die Haut schien über sein Gesicht und den scharfen Nasenrücken gespannt zu sein. Lock war schon vor langer Zeit aufgefallen, dass er offenbar nie blinzelte.
    »Richard. Schön, Sie zu sehen.«
    »Alexej. Ich hoffe, es geht Ihnen gut.«
    »Ja. Viel zu tun. Ich war letzte Woche in Tjumen und ziemlich erledigt, als ich zurückkam.«
    Lock lächelte, wie er hoffte, locker und unverkrampft. »Das Gefühl kenne ich.«
    »Hm?«
    »Ich war unterwegs, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Ich fange gerade erst an, mich wieder zu erholen.«
    »Gut. Gut.« Tschechanow schaute abwesend auf seinen Computerbildschirm. Zumindest machte er keine Bemerkung über Paris. »Hat Konstantin dieses Unternehmen in Burgas erwähnt, die Raffinerie? Darüber muss ich mit Ihnen sprechen.«
    »Nein. Nein, hat er nicht.«
    Tschechanow setzte sich. Auf seinem Tisch lagen drei
Handys. Zwei waren zerlegt, die Akkus entnommen, eines nicht. Er nahm es zur Hand und schob die Akkuabdeckung nach hinten.
    »Wollen wir?«
    Lock zögerte einen Moment. »Ja, natürlich.« Scheiße. Wie hatte er nur so dumm sein können? Wusste Alexej, wie viele Handys er normalerweise hatte? Wenn er zwei hervorholte und Alexej eine Bemerkung machte, konnte er das dritte finden und Zerstreutheit vorschützen. Es war die

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