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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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sprechen, wenn Sie mehr wissen. Ja. Ja. Okay dann. Wiederhören. Auf Wiederhören.« Er lehnte sich in seinem Sitz zurück und ließ das Handy neben sich fallen.
    Tschechanow schaute auf das Telefon hinunter und dann auf Lock. »Alles in Ordnung?«
    »Ja, okay. Okay.«
    »Was war denn?«
    »Ach, nichts. Irgendwelches Geld, das auf den Virgin Islands verschwunden ist. Wahrscheinlich ein Versehen.«
    »Gar nicht so lang, der Anruf.«
    »Nein, es war eigentlich gar nichts. Letzten Endes. Nichts.«

10
    Eine Woche lang war London dunkel und kalt gewesen. Ein feiner, dichter Regen erfüllte die Luft wie Meeresnebel, und die Stadt vermittelte die Stimmung eines leeren Badeorts außerhalb der Saison. Wenn Webster morgens zur U-Bahn ging, erwartete er halb, dass ihm hinter der nächsten Ecke auf einer breiten, von Wellen bestürmten Strandpromenade der Wind ins Gesicht blasen würde. Ab und zu änderte der Himmel seinen Farbton von Blei zu Kalkstein, und Websters Laune hellte sich ein wenig auf, aber insgesamt war es eine bedrückende Zeit.
    So war ihm London erschienen, als er aus Moskau zurückkehrte: eine fremde, heimtückische Kälte, die auf seinen Schultern lastete, und endloser Regen, der in ihm die Sehnsucht nach Schnee weckte. In diesen ersten Wochen zu Hause kam ihm seine Heimatstadt undurchdringlicher vor als jene Stadt, die er hinter sich gelassen hatte, und anfangs hatte er es bereut, die Beweglichkeit und wilde Spontanität Moskaus gegen diese ganze bewundernswerte Beständigkeit einzutauschen. Selbst jetzt verspürte er noch manchmal einen Anflug von Reue darüber, Russland verlassen zu haben, eine Art Heimweh, das er nie ganz erklären konnte. Doch mehr als alles andere erinnerte ihn dieses Wetter an den lange begrabenen Vorsatz – zweifellos gut, aber für ihn
kaum durchführbar –, mit dem Schreiben von Artikeln aufzuhören, die ohnehin nichts bewirkten, ganz aus dem Journalismus auszusteigen und etwas Gutes zu tun. Es erinnerte ihn auch an den Tag, an dem er den Anruf von der Global Investigations Corporation bekam, dort unterschrieb und diesen seltsamen Beruf ergriff, der ihn seither zu gleichen Teilen mit Befriedigung und Misstrauen erfüllte.
    Tat er Gutes? Wie sah seine Bilanz aus? Webster war vom Instinkt her Agnostiker, konnte sich aber nicht von der Vorstellung befreien, dass die eigenen Taten irgendwo abgerechnet würden und dass sein eigenes Ergebnis alles andere als eindeutig ausfiel. GIC waren vom Wert ihres Tuns überzeugt gewesen; Ike urteilte vorsichtiger, aber letzten Endes glaubte er, dass Ikertu Positives bewirkte. Webster war immer noch unsicher. Was genau erreichte er? Was änderte sich in der Welt durch das, was er machte? Er half seinen Klienten dabei, ihr Geld oder ihren guten Ruf nicht zu verlieren. Das war alles. Wenn sein Klient ehrbar war, dann war auch der Job ehrbar, wenn auch kaum ausreichend für einen Heiligenschein. Doch wenn der Klient wie im vorliegenden Fall bestenfalls ein Schlitzohr war, wie half er da irgendjemandem?
    Projekt Schneeglöckchen verunsicherte ihn. Es war der Fall, den er immer gewollt hatte, seine Chance, endlich einmal einem derjenigen zu schaden, die ihr ganzes Leben lang der Gesellschaft schaden. Doch Elsas Worte gingen ihm nicht aus dem Sinn. Die Sache war zu einem Kreuzzug geworden – eigentlich waren es sogar zwei Kreuzzüge, Tournas und sein eigener – und sein Sinn für die Proportionen geriet aus dem Gleichgewicht. Er war nicht mehr sicher, warum er Malin verfolgte. Weil er dafür sorgen wollte, dass Tourna
etwas zurückbekam, was von Rechts wegen ihm gehörte? Um die Korruption, die Russland immer noch ausbluten ließ, anzuprangern und dadurch ihr Ende zu beschleunigen? Oder einfach um ein Leben zu vernichten als Vergeltung für das Leben, dessen Vernichtung er gesehen hatte?
    Hammers Rat war wie immer einfach und gut: Tun Sie, was im Auftragsschreiben steht, und erinnern Sie sich daran, wozu Sie sich verpflichtet haben. Auch wenn Webster noch mit seiner Motivation haderte, zumindest der nächste Schritt war klar.
    Er musste Lock eine Nachricht zukommen lassen, und zwar so, dass niemand sonst davon erfuhr. Der Inhalt der Nachricht war simpel: Sie haben Optionen, glauben Sie nicht, dass es keinen Ausweg gibt; sie werden die Hilfe eines Profis brauchen, und ich bin der Profi. Webster hatte seine handgezeichnete Karte von Malins Welt, auf die er so lange gestarrt hatte, von der Wand genommen. An ihrer Stelle hing nun ein einzelnes

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