Der Lockvogel
glaube ich. Nicht für ihn. Aber für Sie? Bestens. Dieser Mann hat Angst.«
»Wovor hat er Angst?«
»Vor Ihnen. Vor Malin. Vor dem FBI.«
»Dem FBI?« Das erschien ein wenig verfrüht. Es sei denn, Hammer hatte die Sache noch einmal vorangetrieben.
»Er erzählte, auf den Caymans sei es okay gewesen, nicht allzu ernst, aber sie hätten das FBI erwähnt.«
»Wir sind also in guter Gesellschaft. Was haben die gesagt?«
»Alles, was er darüber erzählte, war, jetzt muss ich mich mit dem Scheiß-FBI rumschlagen. Zitat.«
»Und über Malin?«
»Dass sie nicht einer Meinung sind. Er will, dass Malin einen Vergleich eingeht, aber Malin will nicht. Er hat das Gefühl, dass Malin von ihm mittlerweile nur noch den Namen braucht und den Rest als eine Last betrachtet. Er hat mir allerdings nicht sein Herz ausgeschüttet. So ganz bringt er es nicht über sich zu sagen, dass Malin ihn bei den Eiern hat.«
»Was ist mit Gerstman?«
»Ich habe Gerstman erwähnt. Er wurde still. Sagte, er sei ein lieber Freund gewesen.«
»Und haben Sie über uns gesprochen?«
»Das hat er getan. Er sagte, dass Sie alle seine Bekannten angerufen haben, und dass die jetzt alle bei ihm anrufen. Er macht Sie für die Presse verantwortlich.«
»Das ist gut. Wahrscheinlich.«
»Ich habe gesagt, dass ich Sie kenne. Nicht mit Namen, aber Ikertu. Ich habe erklärt, Sie seien gute Jungs und hätten schon für mich gearbeitet.«
»Haben Sie davon gesprochen, uns einander vorzustellen?«
»Nein, das habe ich nicht. Er hat immer noch seinen Stolz. Ich soll glauben, dass er ein großer Mann ist. Große Männer laufen nicht zu Männern wie Ihnen.«
»Also was hat er gesagt?«
»Über Sie? Nichts. Er saß nur da. Ich ließ das Schweigen im Raum stehen. Er hat darüber nachgedacht. Intensiv darüber nachgedacht, würde ich sagen.«
Auch Webster schwieg einen Moment. Er wusste, was er wissen musste.
»Wie sind Sie verblieben?«
»Ich habe ihm gesagt, er solle einmal nach Istanbul kommen,
das würde ihn ablenken. Ein bisschen Spaß haben. Er sagte, dass er eine Ausrede brauchen würde. Er schien nicht gerade Spaß zu suchen. Er hat ziemlich viel getrunken.«
»Vielen Dank, Savas. Das ist gut. Danke. Schicken Sie mir Ihre Spesenkosten.«
Onder lachte, ein vergnügtes Lachen. »Das geht schon in Ordnung, Ben. Sie müssen mir nichts bezahlen. Es hat mich amüsiert. Wenn Konstantin am Straßenrand sitzt und bettelt, schicken Sie mir ein Bild.« Er unterbrach die Verbindung.
Webster bekam eine weitere SMS von George: Lock war auf dem Weg zurück ins Hotel. Er schaute auf seine Uhr. Er könnte um halb elf im Claridge’s sein. Warum es bis morgen aufschieben? Lock war müde. Er würde über seine Unterhaltung beim Essen nachdenken. Wahrscheinlich freute er sich nicht gerade auf das, was morgen anstand, was immer es sein mochte. Das war der richtige Moment.
Webster schaute aus dem Fenster, sah, dass es immer noch regnete, und nahm seinen Mantel von der Stuhllehne. Er verließ das Büro, sprang die Treppe hinunter, ging zügig aus dem Gebäude, fand ein Taxi in der Chancery Lane und fuhr mit ihm durch Lincoln’s Inn und die New Oxford Street entlang, wo die Bürgersteige gelb im Regen glänzten. London war still. Menschen waren zu zweit oder zu dritt unterwegs, mit gesenkten Köpfen. Eine junge Frau rannte über die Straße, den Mantel über den Kopf gezogen, ihre Absätze rutschten in der Nässe aus. Webster beobachtete sie und fröstelte. Jetzt war die Zeit für seinen Auftritt gekommen. Es war kalt, aber er ließ das Fenster einen Spalt offen.
Im Claridge’s öffnete ein Portier mit Zylinder die Taxitür
für ihn. Hinter den schwarzen Drehtüren war das Hotel in gelbe und grüne Lichttöne getaucht, die von einem schwarzweiß karierten Marmorfußboden reflektiert und verschluckt wurden. Ein Feuer brannte in einem großen Kamin, vor dem leere Ledersessel standen; in einem Raum dahinter blühten weiße Rosen und Lilien in riesigen Vasen. In dieser makellosen Welt fühlte Webster sich auffällig, und seine Mission kam ihm schäbig vor. Er gab seinen Mantel, der kalt und schwer vom Regen war, an der Garderobe ab und ging nach unten, um sich die Hände zu waschen. Als er aufschaute, sah er sich selbst im Spiegel. Das gleiche täuschend ehrliche Gesicht. Hatte Gerstman darin irgendeinen Hinweis auf seinen bevorstehenden Untergang entdeckt? Und, beunruhigender noch, sollte Lock das tun?
Er ging wieder nach oben in die Lobby und nahm dann die
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