Der Lockvogel
machten, kurz gesagt, das, was auch Webster tat. Und Lock, dachte er. Wir helfen anderen, Dinge zu tun.
Wie fühlte es sich im Moment wohl an, Lock zu sein? Bis zum Sommer musste es recht komfortabel gewesen sein. Hammer hatte recht: Als Malins Schutzschild hatte Lock bis jetzt noch nicht viel schützen müssen. Sein Weg war leicht gewesen. Er war an die Russen gewöhnt, er kannte die Unternehmen und die Steuerabkommen auswendig, hatte sein Regiment von Beratern, die nach seiner Pfeife tanzten. Hammers Kontakt beim FBI hatte angedeutet, dass Lock auf den Cayman Islands offiziell befragt werden sollte. Wenn das stimmte, dann war es ihm wahrscheinlich wie das Ende der Welt vorgekommen: ausgerechnet dort, wo er sich am sichersten gefühlt haben musste, in einem Schutzgebiet, das eigens für seinesgleichen geschaffen worden war, einem Polizisten gegenüberzusitzen. Er musste reif sein. Ganz sicher.
Webster wanderte durch den beharrlichen Regen nach Westen in den Covent Garden, sein kurzer Mantel, den er fest um sich gezogen hatte, schützte seine Hose nicht vor dem Nasswerden. Sein Handy summte: Lock hatte im Hotel eingecheckt. Er kaufte eine Zeitung und setzte sich mit einer Tasse Tee in ein Café und wartete auf weitere Updates. Rund eine Stunde lang gab es keine Meldungen. Einer aus Georges Team bekam mit einem Trick heraus, dass Lock in Zimmer 324, einer Junior-Suite, abgestiegen war. Dann, kurz nach Mittag, eine SMS: »Zielperson verlässt Hotel in silbernem Volvo, in östlicher Richtung auf der Brook Street.« Unmittelbar danach eine weitere: »Vermuten, dass andere an Zielperson interessiert sind. Bitte anrufen.«
Black war gründlich gewesen. Seine Leute hatten den Bereich um das Claridge’s vor Locks Ankunft überprüft und einen anonymen dunkelgrauen Ford mit drei Männern darin
bemerkt, der in einer Seitengasse hinter dem Hotel parkte, vor einer Reihe von zu Wohnhäusern umgebauten Stallungen. Dieses Auto folgte Lock nun östlich durch die Stadt. Black fragte Webster, ob er auf Gegenobservation umsteigen sollte, was im Jargon der Branche bedeutete, dem Auto zu folgen, das Lock verfolgte. Webster dachte darüber nach. Bei Lock bleiben, entschied er, und Black hielt sich daran.
Webster saß lange vor seinem Tee, dann bestellte er sich noch einen. Weitere Gäste kamen herein und bestellten ihr Mittagessen. Lock betrat um 12:32 Uhr die Kanzlei Bryson Joyce in der City. Das Team richtete sich darauf ein, auf Locks Rückkehr zu warten, aber Webster war sicher, dass er mehrere Stunden bei den Anwälten bleiben und dann zurück ins Hotel fahren würde.
Genau das passierte auch. Lock fuhr nachmittags ins Claridge’s zurück und kam erst abends wieder heraus, als er zu seinem Dinner mit Onder fuhr. Webster verbrachte seinen Nachmittag damit, einen Bericht zu schreiben, den er vor sich hergeschoben hatte, empfing ab und an eine SMS von Black und wartete auf Nachricht von Alan Knight. Er würde das abendliche Geschehen vom Büro aus verfolgen, weil er in der Nähe sein wollte.
Onder hatte das Restaurant ausgesucht, einen Italiener in der Nähe des Sloane Square, wo die Kellner die Hälfte der Gäste mit Namen kannten. Er hatte wissen wollen, ob er ein verstecktes Mikrofon tragen solle, doch Webster hatte ihm gesagt, dass es nicht diese Art von Meeting war. Lock war früh dort, etwas vor acht, dicht gefolgt von seinem unsichtbaren Geleitzug. Die Bodyguards warteten im Auto.
Onder kam kurze Zeit später. Webster war nicht in der
Lage, sich auf etwas zu konzentrieren: Falls Lock gleich wieder gehen wollte, dann würde das innerhalb der ersten halben Stunde passieren. Als klar wurde, dass die beiden ihr Essen gemeinsam beenden würden, entspannte Webster sich langsam, und nach einer weiteren Stunde begann er sich zu wünschen, dass die beiden sich ein wenig beeilen würden. Erst kurz nach zehn ließ George ihn wissen, dass beide Individuen das Lokal verlassen hatten. Zwei Minuten später rief Onder an, der ein wenig atemlos klang, offenbar war er gerade dabei, zu seinem Haus in Mayfair zu laufen. Webster saß jetzt seit Stunden in seinem Büro und hatte trockene Augen vom bläulich-fluoreszierenden Licht. Immer noch keine Nachricht über Knight. Pizzareste lagen in einer Schachtel auf dem Boden neben seinem Schreibtisch.
»Ich glaube, ich habe es gut gemacht«, sagte Onder. »Dieses Agentenspiel gefällt mir.«
Webster lachte, doch er war zu angespannt, um wirklich amüsiert zu sein. »Wie ging es?«
»Prima,
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